0472 - Sie war nur ein 5-Dollar-Girl
Portier grinste. »Was sollten Sie denn zu befürchten haben, Miß?«
»Das wissen Sie ganz genau!« sagte Lo scharf.
»Sie sehen Gespenster.«
Lo schien erleichtert. »Bis gleich!«
rief sie mir zu. Im nächsten Moment war sie draußen. Ich wandte mich Commers zu. »Wenn Miß Lo etwas zustoßen sollte, sind Sie dran, Commers.«
Er schluckte. »Verdammt noch mal, was meinen Sie damit? So dürfen Sie nicht mit mir reden.«
Ich wandte mich ab und ging zur Tür. Steve Dillaggio schlief nicht mehr mit offenem Mund. Anscheinend war ihm diese Lage zu unbequem geworden. Er saß hinter dem Lenkrad und rauchte.
Ich schob die Hände in die Taschen und starrte mißmutig in die regnerische Nacht. Ich wartete.
Und dann passierte es!
Zuerst sah ich den Lichtschein. Kurz darauf folgte der Donnerschlag der Explosion. Ich warf einen raschen Blick über die Schulter. Commers stand am Rezeptionstresen, er hatte seine kurzen und kräftigen Arme aufgestützt und machte ein Gesicht, dessen Ausdruck zwischen Triumph und Erschrecken schwankte.
Dann stürmte ich los. Ich hörte das Klappen einer Wagentür. Im nächsten Moment war Steve an meiner Seite. Wir jagten drei Häuser weiter, dort war ein unbebautes Grundstück, das als Parkplatz benutzt wurde. Ein Wagen brannte lichterloh. Als wir näher kamen, sahen wir im Schein der Flammen, daß niemand darin saß.
Hinter uns ertönte eine Stimme aus dem Dunkel. »Sie ist hier«, sagte die Stimme. Steve und ich benötigten eine volle Sekunde, um die verändert wirkende Stimme zu erkennen. Sie gehörte Phil.
Wir wandten uns um und sahen, wie Phil sich aufrichtete. Der Widerschein der Flammen gab seinen Zügen einen bitteren Ausdruck. Ich bemerkte aber auch die Müdigkeit in ihnen. Ich wußte, daß wir zu spät gekommen waren.
»Sie muß sofort tot gewesen sein«, sagte Phil und kam näher. »Die Haftladung war mit der Wagentür verbunden. Als sie einsteigen wollte, ging die Bombe los. Das Mädchen ist mindestens zehn Yard durch die Luft geflogen.«
Ich ließ die Schulter sinken. Dann ging ich dorthin, wo Lo Cockers lag.
Ihr Gesicht war unverletzt geblieben. Die Augen waren weit aufgerissen. In ihnen spiegelte sich leichtes Erstaunen. Ich fand, daß sie sehr jung und zerbrechlich aussah, wie ein Mädchen, das um Schutz und Hilfe bittet.
Beides hatte sie dringend gebraucht, aber im entscheidenden Augenblick war niemand zur Stelle gewesen, um sie vor dem Schlimmsten zu bewahren.
In meinem Hals steckte ein Kloß. In dieser Nacht war fast alles schiefgegangen, aber das hier war das Furchtbarste. Lo Cockers! Sie war ein Fünf-Dollar-Girl gewesen, und viele würden sagen, daß sie im Sumpf erstickt war, den sie freiwillig aufgesucht hatte. Aber ich wußte es besser. Sie hatte in ihrem Leben gewiß vieles falsch gemacht, aber bis zuletzt hatte sie nicht aufgehört, in einer schüchternen und verängstigten Weise für das Gute einzutreten. Sie hatte mich gewarnt, vielleicht hatte sie mir sogar das Leben gerettet. Ich machte kehrt und ging zu Phil. »Wo ist Steve?« fragte ich. Meine Stimme klang fremd und spröde.
»Auf dem Wege zum Telefon. Er verständigt das Morddezernat«, erwiderte Phil.
Ich schob die Hände in die feuchten Manteltaschen. »Sie wußte Bescheid, deshalb mußte sie sterben. Sie hat mich gewarnt.«
Phil schaute mich an. Er antwortete nicht. Ich wußte auch so, was er dachte. Wir hatten eine neue Aufgabe. Es war keine schöne Aufgabe, es war eine harte, unabänderliche Notwendigkeit. Wir mußten den oder die Mörder fassen.
»Ich habe sie beschattet«, sagte Phil. »Ich war beruhigt, daß ihr niemand folgte, niemand außer mir. Und dann…« Er unterbrach sich und schwieg.
Ich legte die Hand auf seine Schulter. »Wir werden sie finden, Phil«, sagte ich. »Was sie auch tun und wo sie sich auch verstecken werden, wir finden sie!«
***
Der Feuerwerker umkreiste den Plymouth mit der gebotenen Vorsicht. Die Straße war im Umkreis von fünfzig Yard abgesperrt. Die Bewohner des Hauses, vor dem der Plymouth parkte, waren vorübergehend evakuiert worden.
Vorsichtig öffnete der Feuerwerker eine der hinteren Türen. Er stieg ein. »Da ist er«, sagte er. »Man sieht ihn mit bloßem Auge!«
»Ja«, sagte ich. »Der dünne Draht schimmert durch die oberen Ritzen der Handschuhklappe. Können Sie das Ding hier entschärfen?«
Er zuckte die Schultern. »Es gibt keine andere Möglichkeit. Natürlich können wir den Wagen mitsamt der Bombe wegschleppen, aber dabei setzen wir
Weitere Kostenlose Bücher