0472 - Sie war nur ein 5-Dollar-Girl
lehnte sich zurück. Seine Lippen umspielte ein dünnes, grausames Lächeln. »Soso«, knurrte er. »Mr. Cotton wollte also mit uns Kontakt aufnehmen. Dieses Vergnügen kann er haben — aber anders, als er sich das träumen läßt!«
***
»Die Sardonin-Bande hat schon viele Opfer auf dem Gewissen«, sagte Mr. High, »aber diese Opfer sind nicht konkret erfaßt, sie siechen langsam dahin, gleichsam mit ihrem selbstzerstörerischen Einverständnis. Ganz im Gegensatz dazu wurde Lorette Cockers brutal und vorsätzlich ermordet. Das gleiche Schicksal sollte Joe Naddish treffen. Es wird höchste Zeit, daß wir diesen Verbrechern das Handwerk legen.«
Phil und ich saßen dem Chef gegenüber. Hinter ihm zog sich die Karte New Yorks über die ganze Wand. In irgendeiner der darauf abgebildeten Straßen saß der Mörder Lorette Cockers’. Wir mußten ihn finden! Aber die Karte machte uns nicht nur die Größe der Stadt, sondern auch die mit einer solchen Suche verbundenen Schwierigkeiten deutlich.
Mr. High zog eine Akte zu sich heran und öffnete sie. »Das Rauschgiftdezernat befaßt sich schon seit vier Monaten mit der Sardonin-Bande. Es sind viele wichtige Ermittlungen angestellt worden, aber wir haben noch immer kein befriedigendes Ergebnis vorliegen. Ich möchte, daß Sie sich die Akten genau ansehen und dann den Fall übernehmen. Sie werden dabei eng mit dem Rauschgiftdezernat und Lieutenant Brunch zusammen arbeiten.«
Mr. Highs Augen kreuzten meinen Blick. Dann sah er Phil an. »Ich will kurz zusammenfassen, was bisher unternommen worden ist. Die Beamten vom Rauschgiftdezernat stellten zunächst eine sehr klare und einfache Überlegung an. Da die Tabletten auf industrieller Basis hergestellt werden, ließen sie alle pharmazeutischen Betriebe überwachen. Es gibt davon relativ wenige; die meisten gehören Großkonzernen an und unterliegen einer scharfen staatlichen Kontrolle. Die Prüfungen ergaben, daß keiner der Betriebe für die Herstellung des Sardonins in Frage kommt.«
Mr. High überreichte Phil und mir je eine Liste, die aus mehreren Schreibmaschinenbogen bestand. »Hier haben Sie eine Aufstellung dieser Firmen. Jede einzelne mußte sich eine gründliche Überprüfung gefallen lassen. Als die Jungens vom Rauschgiftdezernat auf diese Weise nicht weiterkamen, knöpften sie sich die Maschinenlieferanten vor. Sie wissen ja, daß Sardonin offenbar mit hochmodernen technischen Mitteln fabriziert wird. Die amerikanischen Zulieferer für die chemische und pharmazeutische Industrie haben keine Außenseiter bedient. Das steht fest. Natürlich sind eine Reihe dieser Maschinen ins Ausland gegangen, es ist möglich, daß sie auf Umwegen zurück nach Amerika gelangt sind. Ebensogut ist es denkbar, daß die Sardonin-Leute die benötigten Maschinen von ausländischen Herstellern bezogen haben. Wie Sie sehen, ist der Fall sehr komplex und schwierig. Ich brauche kaum zu erwähnen, daß auch versucht wurde, über eine Prüfung der Verpackung an das Rauschgiftsyndikat heranzukommen, aber das brachte auch kein Ergebnis.«
Ich starrte auf die Liste in meiner Hand. »Hier steht hinter verschiedenen Firmen ein i.L.«, sagte ich. »Was hat das zu bedeuten?«
»In Liquidation«, sagte Mr. High. »Diese Firmen sind bankrott und produzieren nicht mehr.«
Ich stieß einen dünnen Pfiff aus. »Firmen, die in Konkurs gehen, pflegen sich von allen Werten zu trennen, um die Ansprüche der Gläubiger decken zu können, nicht wahr?«
Mr. High nickte. »Das ist ein guter Punkt, Jerry. Es ist möglich, daß diese Firmen aus der Konkursmasse einen Teil der Maschinen verkauft haben. Sie müssen sofort- Erkundigungen einziehen, ob das zutrifft.«
»Zwei Dinge stehen fest«, sagte ich und brachte damit das Thema zurück auf das Geschehen der letzten Nacht. »Sogar drei, um genau zu sein. Punkt eins bezieht sich auf Joe Naddish. Er hatte den Auftrag, hier in New York mit den Sardonin-Leuten Kontakt aufzunehmen, aber er irrte, als er glaubte, daß man ihn zum Sardonin-Vertriebsleiter für San Franzisko machen wollte. Das war nur ein Vorwand, um Naddish nach New York zu locken. Er sollte hier ermordet werden. Warum? Wir müssen Jo6 Naddishs Vergangenheit unter die Lupe nehmen, um den Grund herauszufinden. Punkt zwei ist Lorette Cockers. Sie wußte, was Naddish erwartete. Wer kann sie informiert haben? Die Informationen müssen von einem Mitglied der Bande stammen. Wer war dieses Mitglied? Punkt drei ist der Portier, unsere nächste und beste
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