0472 - Sie war nur ein 5-Dollar-Girl
fragten einfach nach Herb, das war alles. Wichtige Sachen wurden am Telefon nie besprochen. Es wurde immer nur ein Treffpunkt vereinbart.«
»Wo traf er sich mit den jeweiligen Anrufern?«
»Das weiß ich nicht.«
»Kamen seine Freunde manchmal in diese Wohnung?«
»Nie.«
»Hatte er überhaupt Freunde?«
»Nein. Herb war ein Einzelgänger.«
»Aber die Anrufe beweisen ebenso wie der Besuch des Fremden, daß er nicht als Einzelgänger arbeitete.«
»Das ist richtig.«
»Haben Sie schon einmal den Namen Naddish gehört?«
»Nein.«
»Lo rette Cockers?«
»Nein.«
»Nahm Ihr Mann gelegentlich auch Rauschgift?«
»Ja, ich glaube… Er hat es mir gegenüber immer bestritten, aber im Sideboard liegt ein Karton mit ABC-Tabletten. Ich bin ganz sicher, daß es kein Kopfschmerzmittel ist.«
»Ich werde die Tabletten untersuchen lassen. Wissen Sie, woher er sie bezog?«
»Nein.«
»Wo haben Sie ihn kennengelernt?«
»Im Rodeo. Das ist ein Lokal, das vor einem halben Jahr geschlossen wurde. Ich habe dort als Serviererin gearbeitet«, erwiderte Dolores Hutchlay.
»Kam er oft dorthin?«
»Nein, eigentlich nicht. Als er um mich warb, ließ er sich natürlich Abend für Abend sehen.«
»Er kam stets allein?«
»Ja, immer.«
Ich ließ mir die genaue Beschreibung des Mannes geben, der Dolores bedroht und niedergeschlagen hatte, und verließ dann mit den Tabletten die Wohnung. Vorher hatte ich Dolores Hutchlay einige Verhaltensmaßregeln gegeben. Alles in allem war die Aktion nicht sehr fruchtbar gewesen. Ich hatte lediglich die Bestätigung gefunden, daß Herb Hutchlay für eine Gang arbeitete, die auf extreme Geheimhaltung Wert legte. Der Verdacht lag nahe, daß diese Gang mit der Sardonin-Organisation identisch war.
Ich setzte mich in meinen Jaguar und fuhr los. Die Schachtel mit den Tabletten legte ich auf den Beifahrersitz. Irgend etwas erregte meine Aufmerksamkeit. Es war ein fremder Geruch. Noch ehe ich mir über die Ursache klarzuwerden vermochte, bewegte sich etwas hinter mir.
Im nächsten Moment fühlte ich den Druck kühlen Stahls in meinem Nacken.
»Machen Sie keine Dummheiten, Sie Schnüffler«, sagte gleichzeitig eine barsche männliche Stimme, »sonst sehe ich mich gezwungen, Sie umzubringen.«
***
Ich warf einen kurzen Blick in den Spiegel am Armaturenbrett und sah eine Krawatte mit der aufgedruckten Skyline von Manhattan.
»Ich bin froh, daß Sie mich nicht zu lange warten ließen«, meinte er. »Es ist nicht gerade bequem, zwischen Not- und Vordersitzen auf dem Boden zu liegen.«
»Darum hatte Sie niemand gebeten.« Er lachte kurz. Es klang nicht gerade lustig. »Ich bin ein Mann mit Ehrgeiz, Cotton. Ehrgeizige Leute schrecken vor Schwierigkeiten nicht zurück.«
»Das ist ein Punkt, der uns verbindet«, sagte ich.
»Nicht der einzige«, meinte er, ohne die Pistole zurückzuziehen. »Sie sind ebenfalls bewaffnet, nicht wahr? Ich rate Ihnen jedoch gut, die Kanone nicht anzufassen. Sie haben keine Chance, Cotton. Ich bin schneller am Drücker als Sie. Nehmen Sie die Hände nicht vom Lenkrad, hören Sie? Nicht ein einziges Mal.«
»Wie wäre es, wenn Sie mich gelegentlich mal schalten ließen?« fragte ich ihn.
»Sie fahren im zweiten Gang«, befahl er. »Der hat genügend Luft nach oben und unten. Damit können Sie auch anfahren.«
»Okay«, sagte ich. »Mit wem habe ich das Vergnügen?«
Er ließ die Waffe sinken. »Ich bin Jonny. Der scharfe Jonny, wie meine Freunde mich zu nennen pflegen. Ich bin überall dort, wo es darauf ankommt, die Weichen zu stellen.«
»Von Ihnen muß ich ein Autogramm haben«, spottete ich. »Am besten eines, das am Schluß eines Vernehmungsprotokolls steht.«
»Ich bin ganz versessen auf Witze«, meinte er, »aber nicht, wenn ein Bulle sie macht. Sie werden jetzt Ihren Sprechapparat stillegen und nur dann antworten, wenn Sie gefragt werden. Kurz und genau, wenn ich bitten darf. Was hat Ihnen denn die Kleine erzählt?«
»Wenn Sie von Dolores Hutchlay sprechen sollten, kann ich Ihnen meine Enttäuschung nicht verhehlen. Sie weiß nichts.«
»He!« sagte er. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Sie waren lange genug bei ihr, um das eine oder andere Detail zu erfahren.«
»Hutchlay kann nicht sehr gesprächig gewesen sein. Leider. Ich spüre genau, wenn mich jemand hochzunehmen versucht. Mrs. Hutchlay sagte die Wahrheit.«
»Das muß Ihnen allerhand Kopfzerbrechen bereitet haben«, höhnte der Mann hinter mir. »Anders läßt es sich nicht erklären,
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