0473 - Botin des Unheils
kleine Wohnung am Rand von Montpellier. Kleiner und teurer zwar, aber für sie allein reichte es. Sie war anspruchslos; brauchte nicht viel. Außerdem fand sie hier die Ruhe, die sie brauchte, um über Nicks Tod hinwegzukommen und auch über den Fluch, mit dem die Hexe Cila sie belegt hatte. Jeder, der mit dir Kontakt hat, wird dem Fluch verfallen. Er wird ins Unglück gestürzt für den Rest seines Lebens. Du wirst zugrunderichten, ohne selbst zugrundezugehen. Nur jemand, der in wahrer Liebe und Zuneigung zu dir entflammt, wird in der Lage sein, den Fluch zu brechen. Aber auch er wird vorher diesem Fluch erliegen…
Es war ein Teufelskreis, aus dem es kein Ausbrechen geben konnte. Wie sollte jemand, der durch Naomi ins Unglück gestürzt wurde, sie so sehr lieben, daß er diesen Fluch durchbrechen konnte? Kein Mensch konnte das… und das war das Furchtbare an dem Bann, mit dem die Hexe Cila Noami belegt hatte. Eine furchtbare, grauenvolle Rache… eine Bestrafung für etwas, an dem Naomi sich immer noch schuldlos fühlte, denn woher hätte sie ahnen sollen, daß eine andere Frau Anspruch auf Nick erhob?
Noch dazu eine Hexe, die in Nick lediglich ein Spielzeug gesehen hatte… .
Damals war Cila spurlos verschwunden, einfach durch die Wand gegangen und dann fort. Naomi hatte nie wieder etwas vom Wirken dieser Hexe gehört, sie hatte auch nie irgendwo gehört, daß jemand den Namen Cila erwähnte. Er stand in keinem Telefonbuch, niemand kannte jene Frau, und wäre nicht das Nachspiel der Vernehmungen und Anschuldigungen gewesen, das sich über viele Monate hinzog, Naomi hätte ihr Erlebnis für einen bösen Alptraum gehalten.
Später, von Montpellier aus, versuchte sie noch einmal Cila zu finden. Hier, fast 170 Kilometer von Marseille entfernt, war sie eine Fremde. Niemand hier kannte sie und ihre Geschichte. Sie hatte sich ein wenig Geld zusammensparen können, und sie beauftragte einen Privatdetektiv, die Hexe Cila zu suchen. Der Mann bemühte sich wirklich, aber es schien, als sei er bei seiner Ermittlungsarbeit vom Pech verfolgt. Das letzte, was Naomi von ihm erhielt, war ein Brief, in welchem er ihr mitteilte, eine brauchbare Spur gefunden zu haben, die zu Cilas Grab führen sollte. Dann meldete der Mann sich nicht mehr. Naomi ging der Spur selbst nach, und sie fand das Grab.
Sie wußte sofort, daß es das der Hexe war.
Cila lebte nicht mehr. Hier war sie beigesetzt worden, am Friedhofsrand; und es war mit Sicherheit kein christliches Begräbnis gewesen. Rosen wuchsen auf ihrem Grab, aber Rosen, deren Blüten dunkel und winzig waren, die Dornen dagegen viel größer und viel zahlreicher als alles, was Naomi in dieser Hinsicht jemals gesehen hatte. Und als sie vor dem Grab stand, verdorrten diese Rosen plötzlich, gerade so, als wolle die Hexe noch aus ihrem Grab heraus Naomi mitteilen: Ich sehe dich, und du bist meinem Fluch immer noch verfallen!
Sie erfuhr nie, wann und woran Cila gestorben war; niemand konnte ihr etwas darüber erzählen in dem kleinen Provinzdorf. Man versuchte sogar, sie gewaltsam zu verjagen, als ihre Fragen den Dörflern zu lästig wurden die mit jener Cila am liebsten überhaupt nichts zu tun haben wollte und Vorgaben, nichts über sie zu wissen.
Naomis Hoffnung starb, wie Cila gestorben war - die Hoffnung, nach Jahren mit der Hexe zu sprechen und sie um die Rücknahme ihres Fluches zu bitten. Doch mit der Toten konnte sie nie mehr sprechen.
Ihr blieb nur eine andere Hoffnung -daß mit dem Tod der Hexe auch der Fluch erloschen war. Doch als sie nach Montpellier zurückkehrte, fand sie in ihrem Briefkasten eine Zeitung, die sie niemals bestellt hatte. Sie blätterte sie durch und fand eine einspaltige Notiz über einen unbekannten Toten, der in der Nähe von Marseille aufgefunden worden war, ausgeplündert, ohne jeglichen Hinweis auf seine Identität. Sein Foto war abgebildet, und Naomi Varese erkannte den Detektiv wieder, den sie beauftragt hatte, die Hexe zu suchen.
War er ein Opfer des Fluchs geworden?
***
Siebzehn Jahre danach:
Zamorra hatte den BMW vor der Garagenanlage abgestellt, die vor Jahrhunderten Pferdestall gewesen war, aber Pferde gab es auf Château Montagne schon lange nicht mehr. Er verzog das Gesicht; es hatte wieder angefangen zu regnen. Herrliches Maiwetter! Obwohl nicht wasserscheu, legte der Dämonenjäger die zwanzig Meter bis zum Haupteingang im Laufschritt zurück.
Nicole hatte seine Ankunft wohl beobachtet und kam ihm im großen Foyer entgegen. Ihr
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