0473 - Drogenteufel von Stonehenge
Kind?«
»Geflogen!«
»Und?«
»Ich bin nicht einmal naß geworden.«
»Ich auch nicht. U-Bahn.«
Glenda lächelte hinterlistig. »War sie voll?«
»So wie Bill Conolly zu Silvester.« Den letzten Tag des vergangenen Jahres hatten wir gemeinsam verbracht und uns gehörig einen auf die Lampe gegossen.
»Von dir hat man ja auch einiges gehört.«
»Was denn?« fragte ich unschuldig.
Glenda drückte mir eine Hand in den Rücken. »Geh schön in dein Büro und schlaf dich aus.«
»Ja, gern.«
Suko spielte mit einem Lineal, warf es in die Luft und fing es wieder auf. »Auch schon da?«
»Wie du siehst. Entschuldige, daß ich dich bei einer wichtigen Arbeit störe.« Ich stellte zuerst die Tasse ab und ließ mich danach auf meinem Schreibtischstuhl nieder.
»Ich denke nach.«
»Wirklich? Und worüber?«
»Wie bekommen wir den Tag herum?« Suko beugte sich vor. Er zielte mit dem Lineal auf mich.
»Wenn ich dich so ansehe, habe ich das Gefühl, daß du keine Lust hast.«
»Stimmt.«
»Und was sollen wir machen?«
»Auf den Anfall von Arbeitswut warten.«
»Der ist schon da.«
Ich lachte. »Bei wem denn?«
»Bei uns. Akten aufarbeiten. Spesen machen und so weiter. Alles was noch vom letzten Jahr liegengeblieben ist, soll aufgearbeitet werden.«
»Wer sagt das?«
»Unter anderem ich.«
»Und über anderem?«
»Sir James und irgendein Zampano von der Buchhaltung. So ein komischer Erbsenzähler, der alles genau wissen will. Für die Revision, du verstehst das ja.«
»Klar, nur begreife ich es nicht.«
Suko deutete zum Fenster. Hinter der Scheibe sah es grauweiß aus. Da kam einiges aus den Wolken.
»Du kannst ja auch durch die Straßen laufen und Dämonen suchen.«
»Danke. Dann sehe ich lieber dein Gesicht.«
»Sei nicht spöttisch, John. Du solltest mir dankbar sein, daß ich schon drei Plätze bei Mario und Franco reserviert habe. Glenda, du und ich werden unsere Mittagspause dort verbringen, aber die müssen wir uns erst verdienen.«
»Zumindest den Hunger«, schränkte ich ein.
»Auch den.«
Ich winkte ab. »Sorry, Partner, aber ich sehe schon, daß mit dir heute einfach nicht zu reden ist. Du hast wirklich einen Anfall von Arbeitswut, der mich erschreckt. Aber ich will dich nicht verschrecken, so mache ich eben mit.«
»Danke.«
Ich stürzte mich tatsächlich in die Akten. Auch Glenda mußte uns helfen, sie setzte sich zu uns ins Büro. Schließlich war es soweit, daß wir die Zeit vergaßen.
Es rief auch niemand an, es kam kein Besucher, und erst als Glenda mit einem leisen Schrei auf den Lippen von ihrem Stuhl hochsprang, wurden wir aufmerksam.
»Was ist denn los?« fragte ich.
»Die Pause.«
»Schon vorbei?«
»Nein, sie fängt gerade an.«
»Dann aber avanti.«
Der Tisch war freigehalten worden. Das kleine italienische Lokal war im Nu brechend voll. Keiner der Kollegen hatte an diesem Tag Lust, weit zu laufen. Zwar fiel im Moment kein Niederschlag mehr, aber die dicken, grauen Wolken kündeten neuen an.
Ich bestellte Lasagne und einen trockenen Weißen dazu. Glenda aß nur Salat. Suko haute ordentlich rein, und es wurde richtig gemütlich.
Klar, daß wir die Pause überzogen und im Büro keine Lust mehr hatten, etwas zu tun.
Wir lechzten nach Kaffee.
Glenda erbarmte sich und kochte eine Kanne, die sie auf unseren Schreibtisch stellte. Der Großteil der Arbeit lag tatsächlich hinter uns. Wir machten die Beine lang, tranken Kaffee und kamen ins Erzählen. Das vergangene Jahr lief noch einmal vor unserem geistigen Auge ab. All die gefährlichen Abenteuer, die wir erlebt hatten und die schließlich in meinem »Tod« gipfelten.
Viele Fragen waren offengeblieben, auch die Sache mit Shao, die von der Sonnengöttin Amaterasu gerufen worden war, um ihr Erbe anzutreten. Seit Wochen hatten wir nichts mehr von ihr gehört.
Suko hatte ihr Verschwinden noch immer nicht überwunden.
So verging der Nachmittag. Es wurde dunkel, Schneeregen fiel vom Himmel, und in den Straßen schoben sich wieder die Blechschlangen Yard um Yard voran.
Suko wollte mich mitnehmen, ich aber entschied mich für die Tube.
»Da wird es jetzt auch voll sein.«
»Weiß ich, Suko. Deshalb warte ich noch.«
»Freiwillig Überstunden?«
»So freiwillig nun auch wieder nicht. In einer Stunde sieht das wieder anders aus.«
»Okay, wie du meinst. Sehen wir uns heute abend noch?«
»Ich glaube nicht. Eigentlich wollte ich mich hinlegen.«
»Falls du es dir anders überlegst, gib Bescheid.«
Suko und Glenda
Weitere Kostenlose Bücher