0474 - Der Hexenstein
einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
Noch einen Schritt weiter, und der Zombie hatte sie erreicht. Dann würde er zuschlagen und sie töten.
Töten!
Dieses eine Wort ließ in ihrem Kopf die Alarmklingel rasseln. Das Schrillen schmerzte, unter der Schädeldecke tobte es sich aus, und ihr Gesicht versteinerte.
Der Zombie schlug zu.
Ihr kam es vor, als wäre ihre letzte Sekunde angebrochen…
Daß sie dem Hieb trotzdem entging, erschien ihr wie ein Wunder. Sie hatte sich im letzten Moment zur Seite werfen können, die mörderische Waffe wischte an ihr vorbei und jagte in die Tischplatte!
Um den nächsten Hieb führen zu können, mußte der Zombie das Beil erst mühsam aus dem Holz hervorziehen.
Jeanette gewann kostbare Sekunden. Sie hatte sich nach ihrem Sprung fangen können, nur ein Stuhl war umgekippt, sie selbst stand auf den Beinen und direkt im Kältezug, der ihr durch die offenstehende Tür entgegenwehte.
Ihr Gesicht war feuerrot, da tat die Kälte gut.
Der Killer war noch immer damit beschäftigt, die Axt aus der Tischplatte zu ziehen. Seine beiden Hände, deren Haut aufgeschwemmt wie dicker Teig wirkte, umklammerten den Griff und zogen gemeinsam.
Da rannte Jeanette los. Um schneller zu sein, schleuderte sie die Holzschuhe von den Füßen.
Auf dem glatten und feucht gewordenen Holzboden rutschte sie dicht vor der Tür noch aus und driftete nach rechts, wobei sie gegen die Türkante fiel, sich dort abstützen konnte und einen Moment später ins Freie sprang.
Ihre Füße versanken im Schnee, bald reichte er bis zu den Kniekehlen. Es war eine mühsame Sache, im tiefen Schnee zu laufen, deshalb warf sich Jeanette nach rechts, um auf den Weg zu gelangen, den Dieter geräumt hatte.
Die Kälte war böse und bissig. Sie drang schon sehr schnell durch die Haut, aber Jeanette spürte sie in diesen Augenblicken der schrecklichen Angst nicht. Sie mußte rennen, um dem Tod zu entfliehen, der ihr im Nacken saß.
Rutschend und stampfend rannte sie auf dem Weg. Er endete nach ungefähr hundert Metern. Dann mußte sie wieder durch den tiefen Schnee, durch den der Killer sie jagen würde.
Trotz allem hatte Jeanette Masic einen großen Fehler begangen. Sie hätte nicht den bequemen Weg wählen sollen. Es wäre besser gewesen, sich gleich durch den Schnee zu kämpfen und zu versuchen, die Schlucht zu erreichen.
Jeanette, noch auf dem geräumten Weg, drehte sich um. Da sah sie den Zombie. Sie glaubte, ihr Herz würde vereisen.
Der Mörder hatte das Haus bereits verlassen. Vor der Tür hob sich seine unheimliche Gestalt ab, mit schon erhobener und wurfbereiter Axt.
Auf die Schneide der Klinge fiel ein Lichtstreifen aus dem Azurblau des Himmels. Sie leuchtete für einen winzigen Moment auf.
Ein Todesleuchten, denn der Zombie schleuderte das Beil.
Es kam schnell, zu schnell für Jeanette, und es überschlug sich einige Male in der Luft.
Jeanette wollte weg. Sie rannte in ihrer Panik weiter auf dem Weg. So hatte sie keine Chance. Die Axt riß sie in die Dunkelheit des Todes…
***
Kandersteg hatte mich wieder!
Ich kannte den Ort ja schon und auch die kurvige Zufahrt, bevor man ihn erreichte.
Glenda und ich waren vom Flughafen abgeholt worden. Das Hotel hatte einen Wagen nach Zürich geschickt. So konnten wir beide auf der Reise die winterliche Umgebung genießen.
»Wie im Märchen«, flüsterte meine schwarzhaarige Sekretärin. »Es ist wie im Märchen.«
»Was?« fragte ich.
»Der Schnee.«
Ich hob die Schultern und drückte mich tiefer in die Polster des Mercedes. Der Wagen war mit griffigen Winterreifen ausgerüstet, so überwand er auch die ziemlich steilen Abschnitte bei Kandergrun.
An den Seiten sah ich die Hinweisschilder auf die Autoverladung Lötschbergtunnel. Wir waren nicht allein unterwegs. Die meisten steuerten die Verladestation an, um mit ihren Fahrzeugen auf den Autozug zu fahren, der sie ins Wallis brachte.
»Kennst du auch die Namen der Berge?« fragte Glenda, die nur noch aus dem Fenster schaute.
»Ja.«
»Dann zähle sie mal auf.«
Ich winkte ab. »Nein, ich bin nicht in der Schule. Außerdem habe ich einige vergessen.«
»Du bist ein schlechtes Vorbild, John. Ich will sie dir sagen. Blümlisalp, Doldenhorn, Balmhorn, Fründenhorn…«
Ich klatschte in die Hände. »Woher weißt du das?«
»Man muß sich eben vorher informieren.«
»Wunderbar, meine Liebe. Wenn du so gut Bescheid weißt, wirst du dich sicherlich in Kandersteg zurechtfinden.«
»Heißt das, daß du mich
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