0474 - Der Hexenstein
gedeckt hatte. Der Kaffee, auf dem alten Ofen mit der Eisenplatte gekocht, war noch heiß und tat sehr gut.
Sie tranken ihn aus dicken Steingutbechern, saßen sich gegenüber und blickten sich über die Ränder der Tassen hinweg an, Jeanette sah das Lächeln in den Augen ihres Verlobten und fragte, als sie den Becher wegsetzte: »Ist was?«
»Nein.«
»Weshalb schaust du mich so an?«
»Weil ich dich mag.«
»Das mußt du noch beweisen.«
»Wieso? Ich habe dir oft genug gesagt…«
Sie winkte hastig ab. »Sagen ist leicht, handeln ist da besser. Du hättest mich noch im Bett lassen sollen, das wäre besser gewesen.«
»Nein, auch Strenge gehört zur Liebe. Nimm was von dem Müsli. Es schmeckt gut, sättigt und ist gesund.«
Die nächsten Minuten vergingen schweigend. Beide aßen und hingen ihren Gedanken nach. Bis das Mädchen auf die Idee kam und das Radio einschaltete. Es lief auf Batterie. Der Empfang war nicht besonders, aber das Rauschen nahmen sie in Kauf.
»So fühle ich mich wohler«, sagte Jeanette. »Und wenn wir wieder in Zürich sind, gehen wir in die Disco. Da tanze ich eine Nacht durch, bis die Socken qualmen.«
»Ich lösche sie dann.« Mit einem Stofftuch wischte sich Dieter den Mund ab und stand auf.
»Wo willst du hin?« fragte Jeanette, weil sie sah, daß ihr Verlobter zur Tür ging.
»Ich muß Holz für den Ofen holen. Wir haben nicht mehr genug. Kommst du mit?«
Jeanette schaute aus dem kleinen Fenster in die weiße Winterwelt und schüttelte den Kopf. »Nein, ich räume ein wenig auf und spüle das Geschirr.«
»Wie du willst.«
Die schnee- und wasserfeste Kleidung hatten sie über die Garderobenhaken neben der Treppe gehängt. Innen vor der Tür standen, auf einem ausgebreiteten Aufnehmer, die dicken Schneestiefel, in die Dieter Birner schlüpfte.
Er winkte seiner Verlobten, die am Tisch stand, kurz zu und öffnete die Tür.
Eisige Luft wehte in den Raum, so daß Jeanette trotz des wärmenden Pullovers die Schulter fröstelnd in die Höhe schob. Ihr Verlobter wollte schon gehen, als ihn ein Ruf zurückhielt.
»Dieter!«
»Was ist denn?« Er drehte sich um.
Jeanette schaute ihn an. Sie sah plötzlich besorgt aus. Der Ausdruck lag auch in ihren Augen. »Gib auf dich acht, mein Schatz!«
»Ja, natürlich, aber wieso sagst du das plötzlich? Ich fahre doch nicht weg. Ich gehe nur um das Haus und hole Holz.«
»Trotzdem.« Ihr Gesicht verdüsterte sich. Schatten flossen über ihre Wangen. »Ich habe so ein komisches Gefühl, als würde irgend etwas passieren.«
»Man hat keinen Schneesturm angesagt, hier gibt es keine wilden Tiere mehr, der Schnee ist auch nicht so hoch, als daß man darin versinken könnte, wir leben in einer winterhaften Postkartenromantik. Was also willst du mehr?«
»Es war nur so gesagt.«
»Okay, meine Liebe. Bis gleich.« Er schlüpfte durch die Tür und zog sie sofort hinter sich zu.
Jeanette sah ihm noch durch die Scheibe nach, bis er nach rechts verschwunden war.
Ich weiß nicht, ob das richtig gewesen ist, sich hier einzuigeln, dachte sie und machte sich daran, den Tisch abzuräumen. Zum Spülen brauchte sie heißes Wasser. Sie stellte eine Schüssel auf den Ofen und goß Schneewasser hinein.
Als sie nach einer Viertelstunde mit dem Abwasch fertig war, wollte sie nachsehen, wo Dieter blieb.
So lange dauerte es doch nicht, einige Scheite Holz zu holen.
Ob er noch zu den Bäumen gegangen war, die sie untersuchten? Wenn ja, war sie sauer, da hätte er wenigstens etwas sagen können.
Jeanette schrak zusammen, als sie draußen einen dumpfen Laut hörte. Irgend jemand mußte gegen die Wand geschlagen haben, genau dort, wo sich der Holzstapel befand. Hoffentlich war er nicht umgekippt und hatte Dieter unter sich begraben.
Eigentlich konnte das nicht der Fall gewesen sein, denn die einzelnen Holzstücke waren fest verankert worden. Dieses Geräusch mußte eine andere Ursache gehabt haben.
Eigentlich hätte Jeanette nachsehen müssen. Aber sie wollte nicht in die Kälte. So blieb sie im Gastraum und wartete.
Zehn Minuten wollte sie ihrem Verlobten noch geben. Ihr Blick fiel auf die alte Uhr an der Wand.
Sie zählte mehr als 70 Jahre, lief aber noch.
Die Minuten vergingen. Allmählich ging Jeanette die Stille auf die Nerven. Sie war schon froh, wenn im Kamin das Feuer knisterte.
Die zehn Minuten waren fast um, als das Mädchen andere Geräusche vernahm. Das Knirschen des harten Schnees draußen. Wenig später tappende Geräusche auf dem
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