0474 - Metro-Phantome
ein Glas getrunken hatte, fuhr den Tschaika zum »Metropol« zurück.
»Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich jetzt schlafen kann«, gestand Zamorra, als sie sich in ihrem Zimmer befanden. »Da ist zuviel, worüber ich nachzudenken habe. Aber wenn wir bei Boris geblieben wären, wären wir morgen mit Sicherheit den ganzen Tag unter Restalkohol-Einfluß. Und das würde einen verlorenen Tag bedeuten.«
Nicole nickte.
»Danach werden wir uns aber um Merlin bemühen müssen. Wenn wir nur wüßten, was er wirklich plant. Lucifuge Rofocale hat sich ja elegant um die Antwort herumgemogelt.«
»Wahrscheinlich weiß er selbst nichts Genaues«, sagte Zamorra. »Sonst wäre er konkret geworden. Denn dieses Verschweigen paßt absolut nicht zu der Offenheit, die er darüber hinaus gezeigt hat. Ich weiß nicht, was ich von der Sache halten soll. Ich muß darüber nachdenken.«
»Du glaubst ihm nicht?«
Zamorra verzog das Gesicht.
»Ich versuche es«, sagte er. »Aber ich brauche mehr Fakten. Ich werde nicht schlau aus ihm. Träger des fünften Amuletts? Hm…«
***
Er schlief nicht gut in dieser Nacht. Immer wieder wachte er auf, weil er Alpträumen zu entfliehen versuchte, die den Visionen glichen, die er und Saranow erlebt hatten. Erst in den Morgenstunden wurde sein Schlaf ruhiger, und als er kurz vor Mittag erwachte, glaubte er, mit sich im reinen zu sein. Einen Teil der Unruhe und Schlafstörungen schob er darauf, daß er eigentlich ein Nachtmensch war. Er konnte mühelos bis in die frühen Morgenstunden durchhalten und dafür bis in den frühen Nachmittag hinein schlafen; im Laufe der Jahre hatte sich sein Rhythmus so eingestellt, weil er vorwiegend nachts aktiv zu werden hatte, denn die Nacht war die Zeit der Dämonen. Dann wurden sie aktiv, dann zeigten sie sich, und dann konnte man sie bekämpfen. Andererseits hat er früh gelernt, gewissermaßen auf Kommando zu schlafen, um dann fit zu sein, wenn er es sein mußte, und die ständigen Weltreisen durch unterschiedliche Zeitzonen hatten Nicole und er ebenfalls zu bewältigen gelernt.
Er duschte kalt - heiß - kalt, frühstückte sehr ausgiebig, auch wenn man ihn dafür mit recht bösen Blicken bedachte, weil es ja schon fast Mittag war, aber er hat es trotzdem noch durchgesetzt. Nicole, die kurz nach ihm aufgestanden war und sich etwas weniger Vorbereitungszeit angedeihen ließ, weil keine solche Anstrengung vor ihr lag wie vor Zamorra, gesellte sich zu ihm und verputzte den Rest, den Zamorra ihr noch übriggelassen hatte.
Ein Zimmermädchen brachte einen verschlossenen Briefumschlag. Eine Nachricht von Saranow, der natürlih schon viel früher aufgestanden war. Habe den Stadtplan ans Château Montagne gefaxt. Warte auf Resultat. Du findest mich in der Geschäftsstelle, wenn ich nicht in meinem Hotel bin. Es folgte die Adresse der Firma, deren Telefax er benutzte - natürlich die Zweigstelle einer West-Firma…
»Nicht mal auf seine eigenen Behörden kann sich der moderne Russe verlassen«, sagte Zamorra. »Ich bin sicher, daß auch diverse Amtsstuben in dieser schönen Stadt nicht von den Segnungen technischer Fortentwicklung verschont geblieben sind. Aber er muß eine Privatfirma bemühen… das spricht Bände.«
»Eines Tages wird sich auch das alles auf unserem Standard einpendeln«, sagte Nicole. »In zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren…«
»Ihr Präsident hat den Russen aber versprochen, daß es viel, viel schneller geht. Warum sonst hätte er Gorbatschow absägen müssen? Jetzt hat er seinen Salat… nun befindet er sich selbst auf dem Schleudersitz…«
»Es ist«, sagte Nicole, »eine Grundvoraussetzung, um Politiker zu werden, daß man seinen Mitmenschen das Blaue vom Himmel verspricht, weil man nur so an die Macht gelangt. Das ist immer und überall so. Können wir etwas daran ändern?«
»Indem wir versuchen, etwas zu tun, statt Hammelherde zu spielen«, sagte Zamorra. »Ein Volk, das sich nur leiten läßt und Versprechungen glaubt, wird über kurz oder lang von seinen Herrschern verraten. Und nur weil er ein solches Volk vorfand, konnte auch der kleine Mann aus Braunau vor nicht ganz sechzig Jahren in Deutschland die Macht an sich reißen. In Westeuropa kann so etwas heute nicht mehr geschehen, aber die anderen müssen es erst lernen…«
Nicole blockte ab. »Wie gehst du jetzt vor?«
»Wie gestern besprochen«, sagte er. »Ich werde versuchen, meine Aura entsprechend aufzuladen, sie so zu vestärken, daß sie als Köder angenommen werden
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