0475 - Meine Totenbraut
Ahnung, Suko. Sie hat von einem Zeichen gesprochen. Was das genau ist, steht in den Sternen.«
»Du bist mißtrauisch.«
»Klar.«
Ich drehte mich um. Perell stand noch immer unter dem Gerüst. Er schaute nur hoch und schimpfte seine Arbeiter nicht weiter aus. Mir fiel auf, daß keine Musik mehr erklang.
Dafür hörten wir etwas anderes.
Einen grauenhaften Schrei.
Er war draußen aufgeklungen, und das Echo drang durch den Türspalt in die Halle hinein.
Perell hatte ihn gehört, Suko ebenfalls und ich auch. Wir starteten fast gleichzeitig, nur waren Suko und ich schneller, zudem hatten wir in einem besseren Winkel zur Tür gestanden.
Wir liefen nach draußen und wären fast über den bewegungslosen Körper gestolpert, der verkrümmt und nur ein paar Schritte von der Tür entfernt lag.
Über uns erklang eine gellende Stimme. »Man hat ihn vom Gerüst gestoßen. Man hat ihn vom Gerüst gestoßen…!«
***
Jetzt endlich löste sich auch der Schreck bei den anderen Handwerkern. Ich hörte sie über Stege laufen und Leitern klettern, da kniete ich bereits neben dem Mann und stellte fest, daß er nicht tot war. Aber er war bewußtlos, konnte sich nicht mehr bewegen und mußte schwere innere Verletzungen haben. Beim Aufprall war auch seine Nase zerquetscht worden. Sie bildete einen blutigen Klumpen im Gesicht.
Perell kam fluchend und schimpfend heran. Sein Schatten fiel über mich, ich schaute hoch und hörte ihn wieder schreien. »Was ist das denn wieder für ein Mist!«
Ich fuhr hoch. »Mensch!« schrie ich zurück. »Halten Sie endlich mal Ihr Maul!«
Die Arbeiter hörten uns zu, sie standen nicht weit entfernt. Perell, der Widerspruch nicht gewohnt war, zitterte vor Wut und holte langsam aus, während er die Hand dabei zur Faust ballte.
Aber da war Suko. Er packte zu. Perell mußte den Eindruck haben, mit seinem Handgelenk in einem Schraubstock zu stecken, so hart drückte der Chinese zu.
Perell verzog das Gesicht. Schweiß trat auf seine Stirn.
»Reicht es?« fragte ich.
»Das ist meine Baustelle!« keuchte er.
»Aber vor Ihren Füssen, Monsieur Perell, liegt ein Verletzter. Ich weiß nicht, wie lange der Mann noch lebt. Vielleicht kommt er durch, wenn er rechtzeitig in ein Krankenhaus geschaffen wird. Daran sollten Sie denken.«
»Bon, lassen Sie mich los!«
Suko löste den Griff. Perell drehte sich um, sagte aber nichts und rieb sein Gelenk.
Ein Mann in der Arbeitskleidung eines Maurers drängte sich durch die Zuschauer. Er bewegte seine Arme heftig, das Gesicht war bleich, in seinen Augen las ich das Entsetzen.
»Was ist passiert?« fragte ich ihn.
»Gestoßen, man hat ihn gestoßen. Vom Gerüst.« Er war so aufgeregt, daß er stotterte.
»Und wer?«
»Es war eine Frau.«
Ein schallendes Gelächter übertönte den letzten Teil der Antwort. Perell hatte es ausgestoßen. »Bist du verrückt? Eine Frau soll Mario vom Gerüst gestoßen haben?« Perell ging geduckt auf den Arbeiter zu und schlug seine Handfläche klatschend gegen die Stirn. »Das ist doch Wahnsinn! So etwas hast du dir nur ausgedacht.«
»Nein, Chef, habe ich nicht.«
»Und wo soll die Frau so plötzlich hergekommen sein? Kannst du mir das sagen?«
»Sie war da.«
»Ach, einfach so?«
»Ja, sie stand neben uns. Und wissen Sie, wie die aussah? Wie ein Geist, ein Gespenst. Sie… sie streckte den Arm aus, berührte Mario, der sagte, daß ihm so kalt wäre, dann stieß sie ihn vom Gerüst. Ich… ich stand daneben und schaute zu.«
Perell drückte seinen Kopf zurück und fing an zu lachen. Das Gelächter hallte über den Vorplatz.
»Nein, nein, was bin ich doch von Idioten umgeben! Aber gut, Romain, du hast es gesehen und wirst es den Bullen auch erzählen können.«
»Ja.«
»Weißt du, was die mit dir machen? Die nehmen dich fest, weil sie vermuten, daß du Mario vom Gerüst gestoßen hast. Ihr hattet doch oft genug Streit, ihr beiden.«
Romain ging zurück und streckte dabei abwehrend die Hände vor. »Nur beim Kartenspielen, mehr nicht.«
»Das reicht schon.«
»Mir reicht es eigentlich auch«, sagte Suko. »Wollen Sie nicht endlich für den Verletzten sorgen?«
Perell nickte. »Ja, ist gut, wir werden fahren. Feierabend für heute, Männer.«
Suko und ich kümmerten uns um den Verletzten. Behutsam hoben wir ihn an. Wenn er tatsächlich innere Verletzungen besaß, mußten wir ihn vorsichtig tragen.
Es wurden Decken bereitgelegt und auf der geschützten Ladefläche eines Wagens ausgebreitet.
»Einer von Ihnen
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