0475 - Meine Totenbraut
muß neben ihm sitzen«, sagte ich. »Er darf bei der Fahrt nicht zu starken Erschütterungen ausgesetzt werden.«
Romain nickte. »Das übernehme ich.«
»Gut.«
Perell fuhr mit seinem eigenen Wagen, einem alten Peugeot 404. Er stoppte noch einmal neben uns und streckte seinen Kopf aus dem Fenster. »Wollen Sie nicht auch verschwinden?«
»Nach Ihnen, Perell. Keine Sorge, wir arbeiten hier nicht weiter.«
»Sie bestimmt nicht.« Er fuhr an.
»Ein widerlicher Mensch«, sagte Suko.
»Ja, nervös und überreizt.«
Suko und ich drückten dem Verletzten beide Daumen, daß er durchkam, während wir dem Wagen nachschauten.
»Das ging schnell«, sagte mein Partner, »als hätten sie es plötzlich mit der Angst zu tun bekommen.«
»Das ist gut möglich.«
»Glaubst du die Aussage dieses Mannes?«
»Sicher. Außerdem hat meine Totenbraut von einer Demonstration gesprochen, die sie uns vorführen wollte. Vielleicht war es auch eine Warnung für dich, damit du verschwindest.«
»Soll ich denn?«
»Ich weiß nicht.«
»Du bist dir also nicht sicher?«
»So ist es.«
Wir standen beide vor dem Schloß. Neben uns wuchs die Fassade hoch mit ihren Gerüsten. Es näherte sich bereits die Dämmerung, der Himmel war dunkler geworden, und der Wind wehte stärker über die Hügelkuppen.
»Laß uns hineingehen«, schlug ich vor.
Suko lachte. »Du hast noch immer keine Lösung gefunden und weißt nicht, ob du mich lieber weghaben willst.«
»So ist es.«
Wir betraten die Halle. Die Männer hatten die Scheinwerfer nicht gelöscht. Über uns vereinigten sich die Lichtkegel zu einer hellen Kuppel.
Unsere Gestalten malten lange Schatten auf dem Boden. Bevor wir zu einer Lösung kamen, schrillte wieder das Telefon.
»Das ist sie«, sagte ich, ging hin und nahm den Hörer. Ich brauchte mich nicht zu melden, denn sie war schneller.
»Jetzt sind wir fast allein!« hauchte sie.
»Ja, das stimmt. Aber du hast einen Menschen auf dem Gewissen. Vielleicht stirbt er nicht, aber er wird sein Leben lang gezeichnet sein.«
»Ich wollte dir etwas beweisen.«
»Nicht so.«
»Es ist mir egal. Was zählt ein Menschenleben gegen mich?«
Nein, es hatte keinen Sinn, sie vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Das wäre mir sicherlich nicht gelungen. Ich stellte die nächste Frage: »Was willst du?«
»Dich.«
»Ja, ich bin hier.«
»Und ich will, daß er verschwindet, dein Freund. Ich gebe ihm noch eine Chance, sonst werde ich ihn vernichten.«
»Wo soll er denn hin?«
Sie lachte leise. Überhaupt hörte sich ihre Stimme an, als wäre sie meilenweit entfernt. »Er kann zum See gehen und auf uns warten.«
»Werden wir auch dort sein?«
»Ja, als Braut und Bräutigam.«
»Gut, ich bin einverstanden.«
»Er soll sofort gehen.«
»Ich rede mit ihm.«
Das Freizeichen erklang, und ich legte den Hörer wieder auf. Suko kam auf mich zu. »Ja, ich kann mir denken, was sie von dir verlangt hat. Sie will, daß ich verschwinde.«
»Genau.«
Er schaute zu Boden. »Und was willst du?«
»Vielleicht das gleiche.«
»Du begibst dich ohne Rückendeckung in Gefahr, John?«
»Das kann man so nicht sagen. Bisher ist eingetroffen, was sie prophezeit hat. Diesmal sprach sie davon, daß du unten am See warten sollst. Dort wirst du uns treffen.«
Suko legte einen Finger unter sein linkes Auge und zog die Haut nach unten. »Das riecht nicht nur, nein, das stinkt schon nach einer Falle. Oder sehe ich das falsch?«
»Kann sein.«
»John, ich merke, daß du mich loswerden willst. Du möchtest mit deiner Totenbraut allein sein.«
»Sie hat Möglichkeiten, dich zu töten.«
»Das haben andere Dämonen auch«, erwiderte Suko ungeduldig. »Was steckt tatsächlich dahinter?«
»Ich will eben mehr über Hector de Valois herausfinden. Kannst du das nicht verstehen?«
»Schon.«
»Dann tu mir den Gefallen und fahr bitte. Warte am Seeufer, den Weg wirst du sicherlich finden.«
Suko nickte. »Aber eines sage ich dir noch überdeutlich, mein Lieber. Für mich ist das eine Falle, auch am See.«
»Aber erst, wenn wir dort sind.«
»Möglicherweise schon vorher.«
Ich brachte meinen Freund noch nach draußen. Die Umgebung sah aus wie eine Trennlinie zwischen Licht und Schatten. Auf der einen Seite noch die regenklare, allmählich zurückdrängende Helligkeit des Tages, auf der anderen, als Gegenpol, die Dämmerung, die sich als breites Band immer weiter vorschob.
»Mondklar wird es nicht werden«, meinte Suko, als er die Fahrertür öffnete. »Wir
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