0475 - Meine Totenbraut
hin.
Da stand sie.
Margaretha - meine Totenbraut!
***
Von einem unguten Gefühl konnte Suko schon nicht mehr sprechen, es hatte sich verdichtet und war zu einer regelrechten Psychose für ihn geworden.
Daß er allein fuhr, gefiel ihm ganz und gar nicht. An dieser Falle konnte man riechen, die Totenbraut wollte John Sinclair für sich haben und Suko warten lassen.
Er schaute einige Male in den Spiegel und stellte fest, daß er vom Schloß her nicht mehr beobachtet werden konnte. Deshalb fuhr der Inspektor rechts ran, stoppte und stieg aus. Er wollte die Strecke heimlich und zu Fuß zurückgehen.
Über ihm wehte der Wind. Auf den freien Stellen am Hang lagen die Schneefelder wie gezeichnet.
Suko hielt nach einem Weg Ausschau, um sich quer durchs Gelände schlagen zu können, aber er kam nicht dazu, etwas legte sich plötzlich mit einer Totenkälte um seinen Hals, und eine Stimme flüsterte: »Rühre dich nicht von der Stelle, sonst werden dich meine Hände töten!«
Der Inspektor blieb steif stehen. Er atmete flach durch den offenen Mund. Ohne seinen Gegner gesehen zu haben, wußte er, daß es die Totenfrau war, die hinter ihm stand und ihn so überrascht hatte.
Suko senkte den Blick. Er wollte seinen Hals sehen, um die Hände erkennen zu können.
Es war nicht möglich, weil ihm das Kinn die Sicht nahm. Dafür hörte er ihre Frage.
»Warum bist du nicht gefahren, wie ich es dir gesagt habe?«
»Du willst ihn doch töten. Damit du freie Bahn hast, wurde ich weggeschickt.«
»Nein, so ist es nicht.«
»Wie denn?«
»Fahre zum See. Ich bin seine Geliebte, wir wollen den Bund schließen. Dort kannst du uns erwarten. Ich sage dir dies, weil du sein Freund bist.«
»Er wird dich nicht heiraten!« sagte Suko. »Er heiratet keine Tote.«
Margaretha lachte zischend. »Er muß mich heiraten, denn er hat es damals versprochen.«
»Nicht er, Hector de Valois.«
»Aber John muß alte Versprechen einlösen. Es ist ein Fluch, der ihn begleiten wird. Ich gehe jetzt zu ihm. Fahre du weiter, ich sage es nicht noch einmal.« Die Worte waren kaum gesprochen, als Suko wieder befreit durchatmen konnte, denn die kalten, für ihn nicht sichtbaren Totenhände hatten sich wieder von seinem Hals gelöst.
Er drehte sich um, aber da war niemand mehr. Suko hätte alles für einen Traum halten können, wären da nicht die kalten Stellen an seiner Haut gewesen, die sich anfühlten wie eisige Streifen. Dort hatten die eisigen Finger gelegen, und Suko bekam den Eindruck, als würde die Kälte an sechs verschiedenen Stellen die Haut durchdringen und in seinen Hals ziehen.
Durchatmen konnte er. Die kühle Luft füllte die Lungen aus. Er schaute sich noch einmal um, aber in der näheren Umgebung zeigte sich nichts mehr. Die Totenbraut hatte sich zurückgezogen.
Auch Suko ging. Er setzte sich in den Leihwagen und startete. Willig sprang der Motor an. Von nun an führte der Weg nur mehr bergab. Er rief sich in Erinnerung, daß der See auf der Herfahrt an der rechten Seite gelegen hatte, also mußte er jetzt seinen Blick nach links wenden, um eine Durchfahrt oder den Beginn eines Pfades zu entdecken.
Er schaltete das Fernlicht an. In der dunkler werdenden Luft hatte es einen bläulichen Schimmer bekommen, der wie ein Teppich über die am Wegrand stehenden Gewächse strich und diese anmalte.
Suko fuhr sehr konzentriert, obwohl sich seine Gedanken um John Sinclair und die Totenbraut drehten. Sie hatte mit John etwas vor, aber auch mit ihm, sonst hätte sie den Inspektor nicht mit einer so starken Konsequenz in Richtung See geschickt.
Was konnte sich dort abspielen?
Sukos Überlegungen wurden gestört, weil sich die kalten Stellen an seinem Hals noch immer gehalten hatten. Außerdem war die Haut am Hals rauher geworden!
Margaretha hatte ihn reingelegt. Es war ihr gelungen, ihm ihren Stempel aufzudrücken, und Suko unterschätzte diese Verletzung keineswegs. Je mehr Zeit verstrich, um so stärker konnte sie werden.
Bereits jetzt spürte er trotz der Kälte ein leichtes Brennen.
Aber er fuhr weiter. Immer hinein in das blaßblaue Licht der beiden Scheinwerfer, die den Teppich vor sich hertrugen. Die Hälfte der Strecke hatte er sicherlich hinter sich gelassen. Wenn er keine Abzweigung fand, mußte er nach Les Baux und sich von dort aus durchfragen.
Suko hatte Glück. An der linken Seite öffnete sich der Buschgürtel so breit, daß er den Renault hindurchfahren konnte. Zwar geriet er auf einen Trampelpfad, der an die Federung des
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