0475 - Meine Totenbraut
Fahrzeugs höchste Ansprüche stellte, aber Suko stellte fest, daß er auf direktem Weg zu seinem Ziel gelangen würde.
Die Reise gestaltete sich zu einem Cross-Rennen. Immer wieder mußte er Hindernisse über- oder durchfahren. Der Renault bockte, er schaukelte und ächzte, aber er kam durch. Vorerst.
In einer schlangengleichen Kurve umruderte der Pfad sogar einen Wald, führte danach nicht mehr so steil hinab und war jetzt mit dichtem Gras bewachsen.
Letzte, graue Schneeflecken leuchteten wie matte Augen. Der Inspektor merkte auch, daß sich die Beschaffenheit des Untergrunds verändert hatte. Der Boden war weicher und auch feuchter geworden. Die Gefahr, steckenzubleiben, hatte sich vergrößert.
Noch vor wenigen Minuten hatte er den See sehen können. Jetzt, da er sich mit ihm ungefähr auf gleicher Höhe befand, war dies nicht mehr der Fall. Suko mußte schon so lange warten, bis er das Ende der Strecke und damit auch das Seeufer erreicht hatte.
Es wurde schwieriger, den Wagen zu lenken. Getauter Schnee hatte große Pfützen hinterlassen, die wahre Schlammlöcher bildeten, durch die sich der Renault kämpfte.
Manchmal wich Suko bewußt vom Weg ab und den Schneewasserlöchern aus. Dann fuhr er quer durch das Gelände. Mit der Kühlerschnauze schaufelte sich der Wagen den Weg frei, dann, als der Boden noch weicher wurde, sah Suko ein, daß es keinen Sinn mehr hatte. Zudem war er weit genug an den See herangefahren, dessen Oberfläche wie ein breiter, dunkelblauer, leicht grünlich schimmernder Kreis vor ihm lag.
Er stieg noch nicht aus. Die Konzentration auf die Strecke war verschwunden. Es gab andere Dinge, um die er sich kümmern mußte.
Da war sein Hals. Er brannte von innen, als hätte man Feuer in ihn hineingeschüttet. Gleichzeitig war die dünne Außenhaut kalt wie Eis. Suko schaltete die Innenbeleuchtung ein, schaute sich den Hals im Spiegel an, sah zuerst nichts, bis er den Kopf näher an die glänzende Fläche heranbrachte und dort die Streifen entdeckte, die den fahlen Hautton einer Leiche aufwiesen.
Die Totenbraut hatte ihn geschwächt, daran gab es keinen Zweifel. Und bestimmt nicht ohne Grund.
Im Auto sitzenbleiben wollte er auch nicht länger. Suko öffnete die Tür und stieg aus.
Kaum stand er auf den Beinen, fühlte er die Schwäche. Ihm war zwar nicht schlecht, aber eine gewisse Kraftlosigkeit hatte von ihm Besitz ergriffen.
Es kam soweit, daß er den rechten Arm seitlich ausstreckte und am Wagendach Halt suchte.
Sollte er warten oder zum See gehen? Die Totenbraut hatte vom See gesprochen. Wahrscheinlich war die direkte Ufernähe gemeint gewesen. Er stemmte sich ab. Die ersten Schritte lief er torkelnd.
Es sah so aus, als hätte er Mühe, seine Füße vom Boden hochzubekommen. Wo er hergegangen war, blieben die Schuhabdrücke zurück.
Aber er riß sich zusammen und ging weiter. Suko gehörte zu den Kämpfern, die nie aufgaben. Da mußte man ihn schon bewußtlos oder totschlagen, um ihn außer Gefecht zu setzen.
Der weitere Weg gestaltete sich für ihn zu einer Qual. Mit offenem Mund atmete er, die Schritte waren schwer geworden. Manchmal tanzte der Boden vor seinen Augen wie ein Wellenmeer. Der Wind kam vom See her und fuhr in sein Gesicht. Er bewegte auch die hüfthohen Gewächse und griff in den Schilfgürtel, um ihn zittern zu lassen.
Auch Suko zitterte. Fieberschauer durchjagten ihn. Die Berührung der kalten Klauen schien ihm eine dämonische Krankheit gebracht zu haben, von der er sich nur schwerlich erholte.
Wie eine an langen Fäden gezogene Marionette taumelte er durch die unheimlich und geisterhaft wirkende Szenerie. Die Wolken wirbelten über den Himmel, der Mond hielt sich verborgen und schaute nur hin und wieder blaß und fahl hervor. Die Wasserfläche bekam ein gekräuseltes Muster.
Wellen liefen klatschend gegen das Ufer und rollten zwischen die Stäbe aus Schilf.
Suko hielt sich noch immer auf den Beinen. Die Gegenseite hatte ihn überrascht und auch erwischt.
Seine Kräfte erlahmten allmählich, aber er hatte den See erreicht.
Nicht überall am Ufer wuchs der Gürtel aus Schilf. Es gab auch Stellen, die frei waren. Und eine solche Stelle lag vor Sukos Blicken.
Für ihn der ideale Platz, um auf seinen Freund zu warten. Der Boden war schlammig, Suko hob mühsam die Füße und fand sogar eine kleine Erhebung vor, auf der er sich ausruhen konnte. Suko setzte sich so, daß er über den See blickte.
Es ging ihm etwas besser. Mit beiden Händen fuhr er über
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