0476 - Der Sohn des Killers
in mein Büro, Jerry«, sagte er.
Dick Borden verzog keine Miene, obwohl er natürlich auch gern gewußt hätte, was mit mir los war.
Mr. High goß mir erst mal einen doppelstöckigen Whisky ein. Ich leerte ihn auf einen Zug, und dann erzählte ich ihm in gekürzter Form die ganze Geschichte. , Mr. High schwieg. Nach einigen Sekunden tat er etwas, was ich von ihm nicht gewöhnt war: Er zog mein Glas zu sich herüber, füllte es bis zum Rand und leerte es, ohne auch nur einmal abzusetzen.
»Wieviel Stunden haben wir Zeit?«
Ich blickte auf die Uhr. »Noch zweieinhalb. Um drei Uhr wird Felkin hier anrufen. Dann wird er mir sagen, wo der Gefangenenaustausch stattfinden soll.«
»Und wenn wir uns weigern, die beiden auszuliefern?«
»Dann ist Phil erledigt. Ich hatte nicht den Eindruck, daß es nur eine leere Drohung war. Ich verstehe Felkin nicht. Er muß einen sehr triftigen Grund haben, Carpenter und Flood herauszuholen.«
»Wir werden sie fragen.«
»Wen?«
»Carpenter und Flood.«
Der Chef griff zum Telefon und ließ sich mit Collins verbinden, der den Nachtdienst bei den Gefangenen versah.
»Schicken Sie Carpenter und Flood in mein Büro.«
Wenn Collins über diese Anordnung erstaunt war, ließ er sich jedenfalls nichts anmerken. Ich hörte nur sein kurzes »Okay, Chef«.
Es dauerte fast fünf Minuten, bis Collins die beiden heraufbrachte. Sie waren aneinandergefesselt. Carpenter trug den rechten Arm in der Schlinge.
»Nicht mal ruhig schlafen kann man in dem verdammten Bau«, murrte Flood.
Ich stellte zwei Stühle nebeneinander, damit sich die beiden darauf niederlassen konnten.
Carpenter sah bleich aus. Sein Mund war zu einem dünnen Strich zusammengepreßt.
»Sie können gehen«, sagte der Chef zu Collins. »Ich rufe Sie wieder an, wenn Sie die beiden abholen können,«
»Ich dachte schon, Sie wollten uns laufenlassen«, grinste Flood.
Mr. High lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Felkin möchte das. Ich will euch reinen Wein einschenken. Er verlangt von uns, daß wir euch freilassen, sonst wollen sie Phil Decker erschießen, der in ihrer Gewalt ist.«
Carpenter öffnete zum erstenmal den Mund. »Idioten sind das!«
Flood war anderer Meinung. »Wie kannst du so was sagen? Ich finde das großartig von den Jungs.«
Carpenter warf ihm nur einen verächtlichen Blick zu. »Meinst du, sie tun das aus reiner Nächstenliebe?«
Bei Flood begann es zu funken. »Ach, so ist das«, sagte er nachdenklich.
Das kurze Zwischenspiel bestätigte meine Theorie. Felkin brauchte die beiden.
Wir musterten uns stumm. Jeder versuchte, die Gedanken des anderen zu erraten.
Flood kapitulierte zuerst. »Ihr werdet auf die Forderung eingehen müssen, G-men. Dieser Decker ist ein netter Junge, wäre schade um ihn.«
Das Gesicht Mr. Highs wirkte wie, aus Stein gemeißelt, und seine Stimme klang so klar wie immer: »Das ist unser Berufsrisiko. Wir werden euch nicht freilassen!«
»Das ist nicht Ihr Ernst!«
»Mein voller Ernst!«
Mich würgte etwas im Halse, weil ich wußte, daß es für uns gar keine andere Entscheidung gab. Das mag verdammt hart klingen, aber es ist ein Gesetz. Welche Möglichkeiten ergäben sich für die Gangster, wenn es anders wäre! Dann brauchten sie nur vor jedem großen Coup einen Cop zu kidnappen und ihn erst wieder auszuliefern, wenn sie mit der Beute in Sicherheit waren. »Warum haben Sie uns also holen lassen?« fragte John Carpenter. »Wollten Sie uns nur die heroische Geschichte vom Tod eines G-man erzählen?«
»Nein, ihr habt es zum Teil in der Hand, ob Decker stirbt oder nicht. Ihr seid sozusagen mitschuldig an seiner Ermordung. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
»Sehr klar«, sagte Carpenter bissig. »Sie erwarten wohl nicht, daß wir uns ausliefem lassen, um freiwillig wieder zurückzukommen.«
»Das Risiko wäre mir zu groß«, gab Mr. High kalt zur Antwort. »Ich wollte nur wissen, warum Felkin euch unbedingt herausholen will. Jetzt weiß ich es.« Er hob den Telefonhörer ab und sagte: »Collins soll die beiden wieder abholen.«
***
»Was haben Sie vor, Chef?« fragte ich, als wir allein waren.
»Natürlich werden wir nicht tatenlos zusehen, wie sie Phil umbringen. Wir gehen zum Schein auf den Austausch ein. Großeinsatz, Jerry.«
Ich wußte, was der Chef damit sagen wollte. Es war das Äußerste, was er für Phil tun konnte.
Er setzte sich sofort mit dem Präsidium der City Police in Verbindung. Das Ergebnis dieser Unterredung war, daß ab zwei Uhr
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