0476 - Die Hölle auf Erden
Gebäude. -Meine Blockhütte ist gar nicht weit von Llanfair entfernt an einem größeren Bach. Ich bin Gryf ap Llandrysgryf. Und wie heißt du?«
»Janet.« Sie lachte leise. »Die Welt ist doch klein.«
»Nur Janet?«
Sie nickte. »Warum sollte ich noch mehr Namen haben?«
»Um dich von anderen Janets zu unterscheiden - sofern dir das nicht schon durch deine Schönheit gelingt«, schmunzelte der Druide.
»Ich heiße nur Janet, das genügt. Wie hast du das vorhin eigentlich gemacht, als du so weit gesprungen bist? Du bist einer dieser legendären Druiden, stimmt’s?«
»Was weißt du davon?«
»Meine Großmutter sprach davon. Kurz bevor meine Urgroßmutter mit ihr von Mona fortzogen, sei sie von einem Druiden, der in einer Hütte am Bach wohnte, verführt worden«, erzählte sie. »Sie geriet völlig ins Schwärmen, wenn sie sich an den Typen erinnerte. Die Beschreibung könnte auf dich passen. Und auch der Name muß so ähnlich gewesen sein. Auf jeden Fall war er wohl ein Druide. Ein ganz besonderer sogar, ein Silbermond-Druide. War er vielleicht sogar mit dir verwandt?«
»Vielleicht«, wich Gryf aus. Seit mehr als 8000 Jahren lebte er auf der Erde, und er hatte nie etwas von mönchischer Askese gehalten. Von daher mochte es durchaus sein, daß er die Großmutter dieser Janet vernascht hatte. Die Welt war wirklich klein. Überall stolperte man über Bekannte oder deren Angehörige…
»Du könntest mir einen großen Gefallen tun, Janet«, sagte er. »Ich bin ein wenig durcheinander. Auch wenn dir die Frage seltsam erscheint: In welcher Stadt befinde ich mich?«
»Das ist wirklich eine seltsame Frage«, gab sie zurück. »Bist du sicher, daß du keinen Dachschaden hast, Mann? Du willst diesen Jäger am Leben lassen, und du weißt nicht, daß du dich in San Antonio befindest?«
»Texas?«
»Ja, natürlich, wo sonst? Möchtest du auch noch die Uhrzeit wissen?«
Er grinste sie jungenhaft an und nickte. »Sicher«, sagte er. Jetzt erst stellte er fest, daß sie außer dem dünnen Fetzen-Kleidchen und den flachen Schuhen als vierten Fremdkörper auch noch eine schmale Armbanduhr trug. Deren Anzeigefeld hielt sie ihm jetzt entgegen.
Die Uhr zeigte nicht nur die Zeit an, sondern auch das Datum.
27. August 2058.
***
Mai 1992, Tibet:
Julian Peters wurde das Traumbild nicht mehr los. Es verfolgte ihn mittlerweile bereits im Schlaf. Dabei handelte es sich nicht um einen seiner Träume! Dieses Bild war von außen an ihn herangetragen worden, und bislang hatte er noch nicht herausfinden können, wer dafür verantwortlich war.
Aber er hatte es deuten können.
Ein Mann mit einem roten Schultermantel, der schrittweise auf den Rand einer Felsenklippe zurückgetrieben wurde. Er schleuderte magische Blitze gegen das Ungeheuer, das ihn bedrohte und immer mächtiger vor ihm aufwuchs. Der Mann war Merlin, und das Ungeheuer war »Der Drache der Zeit«. So zumindest nannte Julian ihn; der Begriff war in ihm aufgeblitzt, und mangels eines besseren war er dabei geblieben.
Das Bild war möglicherweise ein Hilfeschrei.
Julian war Merlin nie persönlich begegnet, dennoch wußte er hundertprozentig, daß jener Zauberer, der Gefahr lief, entweder in den Abgrund zu stürzen oder von dem Drachen verschlungen zu werden, Merlin war. Merlin brauchte dringend Hilfe. Es mußte etwas mit der Zeit zu tun haben, und auf eine Weise, die er selbst nicht erklären konnte, hatte Julian das Gefühl, daß die Welt gerade einen erschreckenden Veränderungsprozeß durchlief. Gerade so, als sei in der Vergangenheit etwas rückgängig gemacht worden, und nun passe sich die Gegenwart den veränderten Gegebenheiten an!
Daß er damit hundertprozentig richtig lag, konnte er nur ahnen, aber nicht wissen, weil ihm dafür die entsprechende Erfahrung fehlte.
»Ich muß nach Caermardhin«, sagte er. Nachdenklich wog er das Schwert in seinen Händen, das Schwert der Träume. Es war jetzt fertiggestellt. Er hatte es aus einem Stück Stahl geformt, ohne zu wissen, warum. Neuerdings unterlag er diesen spontan auftretenden Impulsen, die ihn dazu brachten, bestimmte Dinge zu tun, von deren Nutzen er selbst nicht überzeugt war. Was sollte er in einer Zeit der atomaren und bakteriologischen Vernichtungswaffen mit einem Schwert anfangen? Es war höchstens Zierrat, aber daran lag ihm nicht. Er war mit Einfachem zufrieden. Wie mit der Hütte, die er am Berghang gebaut halte, hoch über jenem tibetischen Kloster, in welchem man ihm die Hilfe verweigert hatte,
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