0477 - Tanzplatz der Verfluchten
den Arm genommen. Die andere Seite hatte bisher die Initiative ergriffen. Hier konnte sie schalten und walten, denn dies war allein ihr Gebiet.
Die Gebeine waren dort verschwunden, wo der Wald bis dicht an die Mauer der alten Poststation heranwuchs. Ich brauchte nicht lange nachzudenken, um zu der Überzeugung zu gelangen, daß die Knochen irgend etwas mit der Poststation zu tun hatten.
Deshalb mußte ich mir das Innere genau anschauen. Diesmal lief ich den Weg rascher zurück, erreichte die Mauer des Gebäudes, schaute auch durch ein Fenster in das Innere und wandte mich dann der Tür zu. Natürlich war auch sie nicht vorhanden. Ein offenes Loch, hinter dem die Finsternis lag.
Ich leuchtete zuerst hinein.
Wie alt die Station war, konnte ich nicht sagen. Aber sie beherbergte nach wie vor noch die alten Einrichtungsgegenstände, die ihre Erbauer einmal gekauft hatten.
Tische, Stühle, sogar eine primitive Theke sah ich. Natürlich war alles verfallen, verfault, von der langen Zeit angenagt. Auf dem Boden lag ein dicker Schmierfilm, auf dem meine Sohlen Abdrücke hinterließen, als ich in den Raum trat.
Mit der Lampe erhellte ich die Finsternis.
Es lauerte keine Gefahr. Dafür sah ich einen Durchlaß, der in einen Nebenraum führte. Ich schob mich in die Lücke hinein, leuchtete wieder und wunderte mich über die linke Wand, an der drei Pritschen übereinander angebracht worden waren. Hier hatten die Menschen sich ausruhen und schlafen können.
Keine Spur von Shalaka und den Gebeinen!
Ich betrat den kleineren Raum, leuchtete den Boden ab und entdeckte das Loch.
Eine offene Fallgrube, nicht sehr tief, vielleicht auch nur eine im Boden gebaute Vorratskammer.
Achselzuckend drehte ich mich um, wollte wieder gehen, als etwas Geisterhaftes geschah.
Vor mir leuchtete das Mauerwerk auf.
Zunächst war es nur ein schwacher Schein, der sich im Innern des Gesteins gebildet hatte, weiter vordrang und auch Konturen bekam, die mich an ein Gesicht erinnerten.
Ja, es war ein Gesicht!
Kein menschliches, obwohl es die Umrisse besaß. In mir tauchten Erinnerungen auf.
Wie hatte Abe Douglas noch gesagt?
Bevor Kudelke sich aus dem Fenster stürzte, war eine Maske in der Dunkelheit erschienen.
Und diese Maske entdeckte ich hier!
Ein verzerrtes Gesicht. Gelb und schwarz. Ungemein bösartig und widerlich. Mit brutalen, satanischen Augen, aus denen das Böse als Fanal leuchtete.
Ich war stehengeblieben. Mit der rechten Hand umklammerte ich mein Kreuz, mit der linken hielt ich die Lampe.
Meine Kehle war trocken geworden. Ich wußte nicht, was das Auftauchen bedeutete. Vielleicht eine Warnung, ein Zeichen, daß ich keinen Schritt weitergehen sollte.
Das mußte Shalaka sein!
Aber Shalaka war auch der Geist des Irokesen mit seinem mordenden Tomahawk.
Wie paßte das zusammen?
Kenneth Kudelke hatte vor dieser Maske eine fürchterliche Angst gehabt. Mir erging es nicht so. Ich starrte sie an, spürte zwar das Unheimliche, das von ihr ausging, doch es traf mich nicht so stark, als daß es mein Innerstes hätte in Aufruhr bringen können.
Das Maul stand offen, als wollte mir Shalaka etwas sagen. Leider waren seine Züge erstarrt, doch ich würde Leben in sie hineinbringen oder sie vernichten.
Mein Kreuz besaß eine immense Kraft. Es stemmte sich gegen die unheimliche Magie, es konnte zerstören, wenn ich eine bestimmte Formel rief. Und die rutschte mir fast wie von selbst über die Lippen, weil ich ein Ende machen wollte.
»Terra pestem teneto - Salus hic maneto!«
Voll verließ ich mich auf diesen magischen Spruch, rechnete mit einem großen Sieg - und wurde enttäuscht.
Es kam alles ganz anders!
***
Das Kreuz zerstört das Böse. Ich hatte es bereits unzählige Male erlebt, wie es ihm gelungen war, mich aus einer großen Gefahr zu retten, deshalb rechnete ich auch hier, daß es die Maske regelrecht zertrümmern würde.
Nein, sie blieb.
Aber es änderte sich etwas.
Ich bekam den Schub kaum mit, der mich plötzlich packte und mich dabei derart erfaßte, daß ich um die eigene Achse gewirbelt wurde. Wie im Krampf hielt ich mein Kreuz fest und sah plötzlich, daß es sich veränderte.
Die Maske und mein Talisman wurden eins. Ich wußte nicht, was ich in der Hand hielt, war es nun das Kreuz, oder hatte mir jemand die Maske über die Faust gestülpt?
Die Welt veränderte sich zu einem Kreisel, der mich mitriß und von den Beinen schleuderte. Ich bekam kaum mit, daß ich zu Boden fiel und hart mit dem Rücken aufschlug.
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