0479 - Der Blutjäger
nur laut gedacht«, sagte er. »Du bist sicher, daß wir hier richtig sind?«
Brian nickte. »Absolut. Die Straße stimmt, die Hausnummer stimmt. Ein Blick auf die Klingelleiste wird Euch überzeugen, Herr.«
»Schon gut« brummte Sir Ronald.
Er konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, daß eine so aufregend schöne Frau wie das Fotomodell Rhiannon in einem derart profanen, grauen Mietshaus wohnte, dessen Wohnungen nicht einmal Balkone besaßen.
Außerdem war da etwas, das ihn sekundenlang irritiert hatte. Er glaubte, einen Hauch von Magie gespürt zu haben.
Aber jetzt war davon nichts mehr zu bemerken.
»Dann schau dir mal besagte Klingelleiste an!« befahl der Earl.
Brian kletterte aus dem schwarzen 1954er Silver Cloud und ging zur Haustür. Nur wenige Augenblicke später kam er schon wieder zurück. »Sie wohnt im siebten Stock«, verriet er. »Ob sie zu Hause ist?«
»Wir werden sehen«, sagte Sir Ronald.
Er setzte sich die Sonnenbrille auf, die seine Augen vor dem hellen Sonnenlicht schützten. Auch wenn die Helligkeit ihn nicht töten konnte, so empfand er sie doch als störend. Brian öffnete die Fondtür des altehrwürdigen, wertvollen Rolls-Royce, dessen Scheiben fast schwarz getönt waren und für Sir Ronald ein Dämmerlicht im Wageninneren geschaffen hatten, in dem er die vormittägliche Fahrt von London nach Gloucester schlafend hatte zubringen können. Der erste direkte Kontakt mit dem brennendheißen Licht der Mittagssonne verursachte einen kurzen Anfall von Schüttelfrost. Aber dann war es vorbei; die Anpassung war erfolgt, und solange Sir Ronald die Sonnenbrille trug, konnte er auch einigermaßen gut sehen und sich bewegen. In den beiden ersten Jahrhunderten, ohne diese neumodischen Errungenschaften, war es schlimm gewesen. Da hatte ihm die Resistenz gegen das Sonnenlicht nicht besonders viel genützt, und er war fast ebenso gehandicapt gewesen wie seine Artgenossen, die, ob älter oder jünger, noch zur »klassischen« alten Art der Vampire gehörten.
Vor dem Hauseingang blieben die beiden ungleichen Männer stehen.
»Drück auf irgendeinen Klingelknopf, aber nicht auf den von Rhiannon«, befahl Sir Ronald, nachdem er das Klingelschild selbst gesehen hatte- der Künstlername war in Anführungsstriche gesetzt; es gab also auch hier keinen Hinweis auf ihre wahre Identität. Sir Ronald war froh darüber. Mit einem anderen Namen hätten weder er noch Brian etwas an fangen können.
Brian klingelte geschickterweise ganz oben. Bereits nach weniger als einer halben Minute wurde der Türsummer betätigt, und sie konnten eintreten. Mochte der Bewohner des 9. Stocks nunmehr vergeblich auf seine Besucher warten. Das Fehlen einer Sprechanlage in diesem Altbau war den Eindringlingen nützlich. Sir Ronald bedeutete seinem Diener, sieh noch für eine Weile äußerst still zu verhalten, bis der Angeklingelte an einen Irrtum glaubte und nicht mehr lauschte, wer da die Treppe heraufkam, um ihn aufzusuchen.
Nach einer Weile wurde eine Etagentür geschlossen.
Sir Ronald setzte sich treppaufwärts in Bewegung.
Am Ziel angekommen, berührte der Vampir das Türblatt mit der rechten und seine Stirn mit der linken Hand. Unter dem verwunderten Blick seines Dieners verharrte er so fast fünf Minuten. Er verlor die Ruhe nicht, obgleich damit gerechnet werden mußte, daß jeden Moment ein anderer Hausbewohner im Treppenhaus auftauchte und sie sah. Aber nichts dergleichen geschah; alles blieb ruhig.
»Niemand in der Wohnung«, sagte Sir Ronald schließlich. »Öffne.«
Das Schloß der Wohnungstür war primitiv; Brian konnte es mit seinem Besteck, nach dessen Herkunft sein Herr ihn nie gefragt hatte - und möglicherweise auch keine ehrliche Antwort bekommen hätte - geradezu spielerisch leicht öffnen. Der Vampir und sein Diener betraten die verlassene Wohnung.
Sir Ronald sah sich um. Er bemerkte die teilweise recht aufreizenden Fotos, die sein Verlangen - zumindest das körperliche - nach Rhiannon weiter beflügelten, und er bemerkte natürlich auch die Reste eines Frühstücks für zwei. Das bedeutete, daß es einen Rivalen gab. Allerdings schien es sich nur um eine kurzfristige Bekanntschaft zu handeln, denn nichts deutete darauf hin, daß jener Mann länger als nur eine Nacht hier gewesen war. Kein auf Dauer hier deponiertes Rasierzeug, kein Pyjama, kein Foto, nichts. Das erfüllte ihn seltsamerweise mit Erleichterung. Der Kampf um die Gunst Rhiannons würde dadurch einfacher sein…
Bei Luzifer, was
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