0479 - Eine Puppe aus Manhattan
ausgepumpt und geschlagen.
Shaeffers hatte aufgehört, mit den Beinen zu baumeln. Seine Schultern hingen nach unten, er sah unglücklich und geradezu töricht aus.
»Kommen Sie jetzt!« sagte ich ungeduldig.
In diesem Moment löste sich ein Mann aus der Gruppe der Billardspieler. Er war nicht einmal sehr groß, aber sein Gesicht zeigte, daß er vom Boxen mehr als die anderen verstand. Er hätte die platte Nase und das Blumenkohlohr des Profis; er war ein harter, zäher Bursche mit dunklen, flinken Augen und schmalen, grausamen Lippen. Sein Alter war schwer zu bestimmen. Er konnte ebensogut fünfundzwanzig wie fünfunddreißig sein. Sein Atem roch nach Bier, aber er wirkte nüchtern. In seinen Augen glomm Haß… Haß auf alles, was nach Autorität und Gesetz aussah.
»Sie haben Pinky niedergeschlagen«, sagte er. »Alle haben es gesehen. Stimmt's, Jungs?« Er wandte sich bei der Frage nicht um. Die anderen murmelten zustimmend.
»Wie wäre es, wenn Sie ein wenig Vernunft zeigten?« fragte ich ihn.
Er ging nicht darauf ein. Vermutlich war er der Kopf der Gang, die sich hier versammelt hatte. Es war für diese Burschen ganz selbstverständlich, für einander einzutreten. Sie wußten nicht einmal, daß sie das große und nachahmenswerte Gefühl der Loyalität mißbrauchten und falsch auslegten.
»Wir alle haben gesehen, daß Sie begonnen haben«, sagte er grinsend. »Sie haben zuerst geschlagen!«
»Sie wissen, daß das eine Lüge ist.«
»Sehen Sie sich um!« meinte er höhnend. »Ein Dutzend Zeugen wird gegen Sie auspacken!«
»Das würde zu einem Dutzend Meineidsverfahren führen«, sagte ich ruhig. »Oder zu Ihrer Entlassung!«
»Ich bin hier, um einen Mörder festzunehmen«, informierte ich ihn. »Niemand wird mich daran hindern.«
Nach diesen Worten schien sich die Stille im Raum zu vertiefen. Ich drehte den Kopf herum und warf einen Blick über die Schulter. Die wenigen Gäste, die in der Bar gewesen waren, hatten sich inzwischen aus dem Staub gemacht. Nur der Wirt stand noch hinter der Theke. Er polierte Gläser und tat so, als ginge ihm das Ganze nichts an. Ich war auf mich gestellt, einer gegen ein Dutzend.
»Pete ist kein Mörder«, sagte der Boxer.
»Fragen Sie ihn doch!« forderte ich ihn auf.
»Er ist einer von uns«, meinte der Boxer. »Verschwinden Sie endlich, los!«
»Ich gehe gern, immer vorausgesetzt, daß Ihr Freund Pete mich begleitet«, sagte ich.
»Pete bleibt!« entschied der Boxer.
Ich lächelte dünn. »Sie werden Ärger bekommen, mein Freund«, warnte ich ihn.
Er verzog verächtlich die grausam geschnittenen Lippen. »Sie fühlen sich verdammt stark, was?« fragte er. »Es ist kein Kunststück, Pinky aus den Socken zu stoßen. Er ist kein Boxer. Mit mir ist das etwas anderes, Bulle! Ich kenne jeden Trick! Soll ich dir einige davon zeigen?«
»Später einmal«, sagte ich. »Ich bin nicht hier, um für die Herren Billardspieler ein Schauboxen zu veranstalten.«
»Dir wird nichts anderes übrigbleiben, Bulle!« sagte der Boxer. »Du hättest wissen sollen, was einem passiert, wenn man sich in die Höhle des Löwen wagt!«
Er schlug nach seinem letzten Wort sofort zu. Ich begriff sehr rasch, daß dieser Gegner ernst zu nehmen war. Er kannte wirklich alle Tricks, und er schien entschlossen, sie mir zu demonstrieren. Er suchte den Nahkampf, aber ich hielt ihn mit der Rechten auf Distanz.
Er versuchte die Rechte zu unterlaufen. Ich stoppte ihn mit ein paar Haken. Er versuchte einen Tiefschlag, dem ich rechtzeitig ausweichen konnte. Dann war der Kampf wieder völlig offen. Mein Gegner besaß ausgezeichnete Nehmerqualitäten. Er schluckte so ungefähr alles, was ich ihm zu kosten gab, aber nach drei, vier Minuten deutete sein pfeifendes, keuchendes Atmen an, daß es mit ihm zu Ende ging.
Ich glaubte schon, gewonnenes Spiel zu haben, als plötzlich Pinky wieder hochkam. Er sprang mich von hinten an und klammerte sich wie ein Affe an meinen Körper.
Ich versuchte ihn abzuschütteln, aber das war gar nicht so einfach. Der Boxer nutzte seine Chance. Er setzte mir einige wuchtige Schwinger ins Gesicht und aufs Kinn. Ich keilte nach hinten aus und ging mitsamt Pinky zu Boden. Wir rollten ringend und tretend über den schmutzigen Flur. Ein klobiges Billardbein hielt uns auf. Mit einem jähen Ruck riß ich das Knie hoch. Pinky heulte auf wie ein getretener Hund. Er ließ von mir ab. La kam auf die Beine und rannte geradewegs in die angriffsbereiten Fäuste des Boxers. Ich konterte
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