048 - Der rote Affe
überraschend groß. Es war ein langgestreckter Bau und bestand nur aus einem Erdgeschoß, in dem einige Glasfenster eingelassen waren.
Kein Mensch war zu sehen. Sie erreichten das Haus und blieben schwer atmend stehen. Jeff nahm den Rucksack ab und ließ ihn einfach fallen.
„Ist da jemand?“ rief Carl.
Sie gingen um das Haus herum. An der Schmalseite fanden sie eine Eisentür, die abgesperrt war. Carl klopfte mit dem Gewehrkolben dagegen. Nichts rührte sich. Wütend klopfte er nochmals.
„Aufmachen“, brüllte er. „Aufmachen! Wir brauchen Hilfe.“
Es dauerte fast eine Minute, bis die Tür geöffnet wurde. Ein hagerer Mann trat hervor und musterte Jeff und Carl. Er war an die dreißig, etwas kleiner als Jeff und schmalschultrig. Sein Gesicht war hager, das dichte blonde Haar kurzgeschnitten. Er war seltsam blaß. Seine dunkelbraunen Augen blickten kühl.
„Was wollen Sie?“ fragte er barsch.
„Wir brauchen Hilfe“, sagte Jeff. „Wir sind verwundet und …“
„Tut mir leid“, sagte der Mann kalt. „Ich kann Ihnen nicht helfen.“ Er trat einen Schritt zurück und wollte die Tür schließen.
Carl richtete das Gewehr auf ihn. „Lassen Sie die Tür offen“, sagte er grimmig. „Sie können uns doch nicht so einfach hier heraußen stehen lassen. Wir brauchen Hilfe.“
Der Mann sagte nichts. Er knabberte an seiner Unterlippe.
„Was ist los, Terry?“ hörten sie eine Frauenstimme. Schritte kamen näher, und dann tauchte ein Mädchen auf. Die Ähnlichkeit der beiden war augenfällig. Sie konnten nur Geschwister sein. Das Mädchen war um einige Jahre jünger. Ihr Haar hatte die gleiche Farbe wie das ihres Bruders. Es fiel lose auf ihre Schultern herab. Ihr Gesicht war annehmbar hübsch, die großen dunklen Augen waren das Schönste daran. Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah Jeff und Carl überrascht an. Sie war kaum kleiner als ihr Bruder, trug eine einfache, weiße ärmellose Bluse, die sich um gut geformte Brüste spannte. Ihre schlanken Beine steckten in abgewetzten Jeans.
„Misch dich da nicht ein, Carol“, sagte Terry unwillig. „Ich will mit diesen beiden Kerlen nichts zu tun haben. Geh zurück ins Haus.“
„Mister“, sagte Carl stockend. „Wir brauchen Hilfe. Sie können uns doch nicht wie räudige Hunde davonjagen. Wir wurden von Indianern gefangen genommen und konnten entfliehen. Außerdem wurde meine Freundin von einem …“
„Das interessiert mich alles nicht“, sagte Terry. „Warum glauben Sie wohl, daß ich mich in den Urwald zurückgezogen habe? Ich will von den Menschen nichts wissen, und meine Schwester auch nicht. Lassen Sie uns in Ruhe.“
„Aber, Terry“, sagte Carol. „Du kannst sie doch nicht einfach davonjagen.“
Der junge Mann preßte die Lippen zusammen und warf seiner Schwester einen wütenden Blick zu. Dann sah er Jeff und Carl an. Auf seiner Stirn erschienen einige Falten. Er seufzte.
„Kommen Sie herein“, sagte er schließlich, drehte sich um und verschwand.
Jeff und Carl traten ein. Das Mädchen schloß die Tür und sperrte ab.
„Entschuldigen Sie meinen Bruder“, sagte Carol lächelnd. „Er ist ein Menschenfeind. Kommen Sie bitte mit.“
Jeff sah sich flüchtig um. Sie gingen einen schmalen Gang entlang, an dem links und rechts Türen lagen. Die Wände bestanden aus einfachen Holzplatten, den Boden bedeckte ein dunkelroter Kokosläufer.
„Recht herzlichen Dank, daß Sie uns nicht draußen stehen gelassen haben, Carol“, sagte Jeff und grinste.
„Nichts zu danken“, sagte das Mädchen. Sie öffnete eine Tür, und sie traten ein. Der Raum war als Speisezimmer eingerichtet. In der Mitte stand ein schwerer Holztisch, umgeben von einigen kunstvoll geschnitzten Stühlen. Eine Wand bedeckte ein Regal, das bis zur Decke reichte und mit indianischen Tongefäßen und Tanzmasken gefüllt war.
„Nehmen Sie Platz“, sagte Carol. „Sie haben sicherlich Hunger, nicht wahr?“
„Allerdings“, sagte Jeff.
„Wie wär’s mit einer kräftigen Suppe?“
„Das wäre herrlich“, sagte Jeff grinsend. „Aber ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn wir uns waschen könnten.“
„Nachher“, sagte Carol. „Zuerst die Suppe.“
Jeff sah ihr nachdenklich nach, als sie den Raum verließ, und wandte sich Carl zu.
„Was halten Sie von den beiden, Carl?“
Der Zoologe fuhr mit der Zunge über die Lippen.
„Schwer zu sagen, aber sie kommen mir merkwürdig vor.“
Jeff beugte sich vor.
„Merkwürdig ist eine milde
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