048 - Die Bande des Schreckens
den Fahrer deutend, zu, »und halten Sie ihn in Gewahrsam, bis Sie von mir hören!«
Dann faßte er den erstaunten Rouch am Arm und lief mit ihm nach Scotland Yard zurück.
Das dunkle Polizeigebäude besitzt zwei Eingänge, einen in Whitehall und einen am Thames Embankment. Rouch war sehr verblüfft, als sich Long, nachdem sie wieder eingetreten waren, dem Torbogen zuwandte, der nach dem Embankment führt.
»Kommen Sie schon!« zischte der Wetter durch die Zähne. »Gehen Sie ruhig weiter!«
»Aber - was...«
»Fragen Sie nicht erst, tun Sie, was ich Ihnen sage, und machen Sie sich darauf gefaßt, zu springen!« Sie standen jetzt auf dem Embankment unmittelbar vor der Fahrbahn, so als wollten sie ein Taxi herbeirufen. Während sie warteten, beobachtete Long, wie aus der Richtung des Parlaments ein Wagen herankam, dessen Geschwindigkeit sich von Sekunde zu Sekunde steigerte. Das Geräusch des Motors übertönte den übrigen Verkehrslärm.
Immer schneller näherte er sich.
»Springen Sie!« schrie der Wetter, und beide sprangen zur Seite.
Der Wagen schoß über das Trottoir, wurde herumgerissen und drehte sich, unter entsetzlichem Quietschen der Reifen, um die eigene Achse. In der nächsten Sekunde war Long auch schon aufs Trittbrett gesprungen, packte den Fahrer am Kragen und zerrte ihn von seinem Sitz. Den Mann kannte er nicht. Er hatte ein runzliges Gesicht und war mehr tot als lebendig.
»An beiden Eingängen von Scotland Yard wartete ein Mann, um das Zeichen zu geben«, erklärte der Wetter dem verständnislosen Rouch. »Sobald ich herausgekommen, und nachdem das Zeichen erfolgt war, setzten sich die wartenden Wagen in Bewegung, um einen Unglücksfall herbeizuführen. Die Bande des Schreckens weiß genau, daß ich keinen eigenen Wagen habe und gewöhnlich ein Taxi rufe. Wahrscheinlich warteten sie schon seit Stunden auf diesen Augenblick. Offensichtlich rechneten sie damit, mich noch am Trottoirrand zu erwischen, sonst würden sie einen Zusammenstoß mit dem Taxi herbeigeführt und auf diese Weise versucht haben, mich aus dem Weg zu räumen.« Ein Polizeiwagen brachte sie nach dem Westen. Rouch benutzte die Gelegenheit, seine eigenen, bestimmten Ansichten über die Bande des Schreckens auszusprechen.
»Diese Leute sind zu geschickt für uns, Mr. Long«, meinte er. »Gewöhnliche Detektive können die Bande des Schreckens nicht zur Strecke bringen. Die Kleinen, die die schmutzige Arbeit verrichten, kennen den Chef nicht. Genausowenig wie Raffy Jones weiß, wer ihn gedungen hat. Wer ist der ›Professor‹, von dem er sprach?«
»Ach, er liest Detektivgeschichten«, erwiderte der Wetter. »Ich bin sicher, jedes Mitglied der Bande des Schreckens zu kennen!« »Raffy meint...«
»Raffy ist ein Mann, der für ein Glas Bier jede Geschichte erzählt. Er hat zehn Urteile und zwei ausgesetzte Vollstreckungen auf dem Buckel. Seine Hauptbeschäftigung ist, Leuten als Chauffeur zu dienen, die im Lande herumreisen, vor einem Juwelierladen halten lassen, das Schaufenster einschlagen, sämtliche erreichbaren Stücke ergreifen und spurlos verschwi nden.«
Inzwischen hatten sie Colville Gardens erreicht. Der Wagen hielt, Long sprang hinaus, nahm zwei Stufen der Vortreppe auf einmal - ein kurzer Blick auf das Gesicht des Mädchens, das die Tür öffnete, und sein Herz erstarrte. »Nein, Sir, Miss Sanders ist seit einer Stunde verschwunden. Ich habe sie nicht fortgehen sehen - da steht noch ihr Koffer.« Rouch gab dem Beamten, der auf der ändern Straßenseite ihre Ankunft beobachtet hatte, ein Zeichen. Aber der Mann behauptete bestimmt, daß niemand aus dem Haus gekommen wäre.
»Ich bin seit anderthalb Stunden hier - weder der Besucher noch Miss Sanders haben das Haus verlassen.«
Der Wetter nahm sich nochmals das am Eingang wartende Mädchen vor.
»Als ich mit dem Koffer herunterkam, war Miss Sanders bereits fort«, berichtete es. »Ich habe allerdings die Haustür nicht gehen hören.«
Long ging kurzerhand hinein und betrat den Salon. Das Silbertablett stand noch da, wie es verlassen worden war. Er hob die halbleere Tasse hoch und roch daran.
»Riechen Sie mal, Rouch!«
Der Wachtmeister tat es.
»Ein Betäubungsmittel, würde ich sagen!«
Long ging in die Diele zurück.
»Gibt es noch einen ändern Ausgang aus dem Haus?« fragte er das verstörte Mädchen.
»Durch eine Tür in Miss Revelstokes Arbeitszimmer gelangt man direkt in die Garage.«
Die betreffende Tür war nur angelehnt. Sie stiegen über die
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