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048 - Die Bande des Schreckens

048 - Die Bande des Schreckens

Titel: 048 - Die Bande des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Das nächste war Crayleys Haus. Zu Noras Erstaunen verlangsamte der Wagen das Tempo nicht, sondern fuhr ein Stück weiter bis zu einer Wiese. Man hielt sie noch immer am Arm fest und führte sie durch das Gras. Der Fluß glänzte matt. Am Bug eines verspäteten Kahnes schaukelte ein Lampion.
    Dicht am Ufer lag eine große Barkasse, in die man ihr hineinhalf.
    »Nur Sie und ich sind an Bord«, sagte der Mann, während der unbekannte Chauffeur das Seil lockerte, mit dem das Boot am Ufer befestigt war.
    »Wir werden durch die Templeschleuse fahren. Denken Sie daran, was ich Ihnen vorher sagte. Wissen Sie, was ich bekomme, wenn man mich erwischt? Fünfzehn Jahre! Kein Leben auf der Welt ist fünfzehn Jahre wert. Ich würde Sie gleich hier, auf der Stelle, erwürgen und ins Wasser werfen, bevor der Schleusenwärter merkt, was geschehen ist!« Aus seiner Stimme klang Wut und Erbitterung. Nora kauerte sich auf ihrem Sitz zusammen und horchte auf das Geräusch des Motors. Sie fuhren stromaufwärts. »Schleuse ahoi!« rief der Mann.
    Die Barkasse fuhr langsamer, hielt, tuckerte vorsichtig weiter. Man hörte das Geräusch der sich schließenden Schleusenflügel. Höher und höher hob sich das Boot, bis es vor dem oberen Schleusentor lag. Ein paar alltägliche Bemerkungen gingen hin und her. Dann fuhren sie stromaufwärts weiter.
    Westlich von Temple macht der Fluß eine scharfe Biegung. Die das Ufer säumenden Bäume mit ihren herunterhängenden Ästen warfen schwarze Schatten. Unter diese Bäume ließ der Mann die Barkasse gleiten und schaute sich unsicher um. Die Umrisse eines Holzbaus waren eher zu erraten als zu erkennen, obschon das Haus so nahe am Wasser lag, daß die Treppe, die hinaufführte, auf Pfählen im Fluß ruhte. »Steigen Sie aus!« befahl Noras Begleiter schroff. Sie gehorchte. Er folgte ihr, nahm einen Schlüssel aus der Tasche und schloß, mit einiger Mühe, die Haustür auf. Darauf stieg er nochmals zum Wasser hinunter, um das Boot anzubinden. Als er zurückkehrte, traten sie ein. Er schloß die Tür, brannte ein Streichholz an und holte eine Kerze.
    Sie standen im gut möblierten Wohnzimmer eines Landhauses. Auf allen Gegenständen lag dicker Staub. An den Wänden hingen einige Medici-Kupferstiche. Die Fenster waren mit schweren Samtgardinen verhängt.
    »Kennen Sie das Haus? Es gehörte Shelton!«
    Sheltons Haus! Furcht überfiel sie, als ob der Geist des Mannes, der hier gelebt und sein gefährliches Werk betrieben hatte, noch in diesen Räumen umginge.
    Ihr Begleiter schaute auf seine Armbanduhr, ging im Zimmer umher und untersuchte die Fenster. Als er die dicken Vorhänge zur Seite schob, bemerkte sie die geschlossenen schweren Fensterläden. Hier also hatte Clay Shelton in später Nacht seine Pläne entworfen. An diesem Tisch, auf dem man jetzt zierliche Mäusespuren im Staub sah, verfertigte seine geschickte Feder Unterschriften, die den echten so sehr glichen, daß die Männer, deren Namenszug gefälscht war, ihn von ihrer eigenhändigen Unterschrift selbst nicht unterscheiden konnten.
    »Ich will hinausgehen und nach dem Boot sehen - bleiben Sie hier!« Leise schloß sich die Tür. Sie hörte, wie der Schlüssel im Schloß umgedreht wurde. Als sie das Brummen des Motors vernahm, konnte sie sich denken, daß sie allein zurückgelassen worden war. Im Augenblick jedoch beschäftigten sich ihre Gedanken noch mit dem staubigen Zimmer und dem Mann, der es bewohnt hatte.
    Dies also war der Sitz der Galgenhand! Ihr war, als würde sich der Raum mit Gestalten füllen, die sich hin und her bewegten und sie anstarrten.
    Das Zimmer hatte noch eine zweite Tür - Nora Sanders stand ihr direkt gegenüber. Ihr Blick fiel auf die Türklinke. Erschrocken beobachtete sie, wie sich diese Klinke bewegte, langsam hinunterging - die Tür öffnete sich, ein wenig nur, nach innen, und aus dem Türspalt ragte eine lange, gelbe Hand. Bei diesem Anblick schrak sie zurück. Dann kamen eine steife weiße Manschette mit Emailleknopf und endlich ein schwarzer Ärmel zum Vorschein.
    »Beunruhigen Sie sich nicht!« Es war Jackson Crayley. Nun trat die ganze Gestalt in Erscheinung. Sein Gesicht zeigte tiefe Falten, der gelbe Schnurrbart hing traurig herunter. Er trug einen Smoking. Das Mißverhältnis seines Äußeren zu diesem Ort voll Staub und Trostlosigkeit hätte unter anderen Umständen zum Lachen gereizt. Er hatte das Monokel ins Auge geklemmt. Das dünne, gelbe Haar war sorgfältig in der Mitte gescheitelt. Furchtsam

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