048 - Die Bande des Schreckens
und war neugierig, was noch kommen würde.
Warum waren die anderen Polizeibeamten hinausgegangen? Warum vernahm ihn Claes?
»Wollen Sie mir mitteilen, weshalb Sie hierherkamen?« fragte er.
»Der Berkshire-Polizei ebenso wie Scotland Yard«, begann der Inspektor und ließ sein Gegenüber nicht aus dem Blick, »ist der Tod von Mr. Joshua Monkford immer rätselhaft gewesen, und ich wollte hören, ob Sie nicht etwas darüber aussagen können.«
»Bin ich verhaftet?« fragte Cravel schnell.
Der Inspektor schüttelte den Kopf. »Nein, keineswegs. Sie werden nicht einmal sistiert. Ich frage Sie nur ganz freundschaftlich.«
Allmählich gewann Cravel seine Fassung wieder.
»Man hat mich seinerzeit schon befragt, und ich habe alle Erklärungen gegeben, soweit ich die Umstände kannte.«
Der Inspektor zögerte.
»Ich meine nur, Mr. Cravel, daß ein Mann, der dabei beteiligt war, das heißt selbstverständlich, soweit er die Tat nicht selbst beging, Kronzeuge, also Zeuge für die Staatsanwaltschaft, werden sollte. Ein Mann, der das täte, könnte sich die schlimmste Strafe ersparen.«
Cravel lachte. Manchmal war die Polizei doch mehr als kindisch. »Ich nehme an, daß Sie bei klarer Überlegung keinen achtbaren Grundbesitzer in Berkshire eines Mordes für schuldig halten?« fragte er bedächtig. »Darüber besteht doch kein Zweifel, Inspektor?« »Durchaus nicht.«
Der Inspektor schien nicht zu wissen, wie er fortfahren sollte, und stellte in der Folge nur einige nichtssagende Fragen, zum Beispiel, wieviel Gäste während des Jahres beherbergt würden und dergleichen mehr. Hinter dieser Befragung mußte irgend etwas stecken, aber Cravel konnte sich nicht vorstellen, was. Eine Viertelstunde lang wurde er mit dummen Fragen belästigt, die keine Beziehung hatten mit dem, was ihn am meisten beschäftigte. Erst zum Schluß nahm das Verhör eine kritische Wendung.
»Ich habe gehört, daß Inspektor Long und Kriminalwachtmeister Rouch heute früh ins Hotel kamen. Was ist mit ihnen geschehen?«
»Sie sind wieder weggegangen. Mr. Long ist kein besonderer Freund von mir, er verdächtigt mich aller möglichen Betrügereien, zu denen ich mich nie herablassen würde. Im Augenblick geht es um die Sekretärin von Miss Revelstoke, eine gute Bekannte von mir, die letzte Nacht aus einer Privatklinik verschwunden ist.« Cravel hüstelte. »Da er wußte, daß ich mich für die junge Dame interessiere, kam er heute morgen um fünf Uhr hierher und blieb ungefähr eine Viertelstunde. Ich habe ihn seither nicht mehr gesehen«, schloß er wahrheitsgemäß. »Er ist also weggefahren?« »Er hatte seinen Wagen dabei, wird also kaum zu Fuß gegangen sein«, entgegnete Cravel etwas zu krampfhaft sarkastisch.
Es klopfte an der Tür, der Inspektor öffnete und sprach im Flüsterton mit einem seiner Begleiter.
»All right, Mr. Cravel«, wandte er sich dann um, »das ist alles, was ich wissen wollte. Ich gehe jetzt.«
Cravel folgte ihm in die Halle. Zu seiner größten Befriedigung fuhr der Polizeiwagen mit seinen drei Insassen davon. Nun hatte er Zeit, ruhig zu überlegen. Erst war der Wetter - und nun das Mädchen wie durch Zauber verschwunden! Er selbst befand sich in großer Gefahr und war auf dem Punkt angelangt, wo ›Sauve-qui-peut‹ der beste Wahlspruch ist.
In dem kleinen Schreibtisch aus Mahagoni in seinem Wohnzimmer befand sich im untersten, mit Stahl ausgelegten Fach eine Kassette. Er nahm sie heraus und öffnete sie. Sie war bis an den Rand mit amerikanischen Banknoten angefüllt. Er legte sie in Bündeln auf den Tisch. Einer anderen Kassette entnahm er eine Handvoll englische Banknoten. Dann ging er in das Zimmer, wo das Mädchen gelegen hatte, und zog in aller Eile einen Straßenanzug an.
Als er hastige Schritte auf der Treppe hörte, lief er schnell ins Wohnzimmer zurück, um das Geld in eine Mappe zu stecken. Bis die Tür aufging und seine Schwester eintrat, deutete nichts mehr auf überstürzte Fluchtabsichten hin. Ruhig wandte er sich um.
»Die Polizei war hier.«
»Ich bin ihnen auf der Landstraße begegnet«, sagte sie. »Sie haben mich angehalten und mir eine Unmenge alberner Fragen gestellt. Long und das Mädchen erwähnten sie jedoch mit keinem Ton. Wo sind sie?«
Er zuckte die Achseln.
»Der Himmel mag's wissen!«
Sie blickte ihn erstaunt an.
»Sind sie nicht hier?«
»Soviel ich weiß, sind sie nicht hier.«
»Wo sind die anderen? Haben sie das Mädchen mitgenommen?« fragte sie voll Argwohn.
»Da musst du
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