0481 - Laurins Amazonen
höre und gehorche«, sprach Delta die uralte Formel.
Eysenbeiß-Salem lächelte unter seiner Gesichtsmaske. Nunmehr war sichergestellt, daß nicht nur Zamorra, sondern ausgerechnet auch noch Ted Ewigk unschädlich gemacht werden konnte. Eysenbeiß selbst verzichtete inzwischen darauf, Ewigks Aussehen zu zeigen. Nach der Gefangennahme Laurins erübrigt sich das, denn hauptsächlich sollte ja der Zwergenkönig getäuscht werden. Und der ERHABENE hielt es nicht mehr für nötig, sich selbst den Alben zu zeigen, wenn die schwarzen Zwerge seine Befehle ebensogut übermitteln konnten.
Eysenbeiß tat ein paar Schritte zurück, das holografische Bild verblaßte für seine Optik ein wenig. Das spielte auch keine Rolle; Delta überwachte die Gegner ja pausenlos und unermüdlich weiter. Es war eine gute Idee gewesen. Aldebaran von der fliegenden Kamera begleiten zu lassen, die zu klein war, um wahrgenommen zu werden, solange sie nicht zu nahe an das zu observierende Objekt herankam. Und das war auch nicht nötig; es reichte, wenn sie einen halben Kilometer entfernt war.
»Wenn sie eindringen, will ich informiert werden«, ordnete Eysenbeiß an und verließ den Überwachungsraum, den die Cyborgs eingerichtet hatten.
Er überlegte, was er mit Zamorra und Ted Ewigk anstellen konnte. Er hatte da schon ein paar perfide Gedanken; es galt, zu deren Verwirklichung noch einige Vorbereitungen zu treffen.
***
Die einsetzende Morgendämmerung und die relative Kühle weckte sie; jetzt endlich, am Ende der Nacht, war die Temperatur auf ein erträgliches Maß abgesunken. Aber diese Phase würde in dem Augenblick ein Ende haben, sobald die Sonne hoch genug über den Bergen stand, um genügend Kraft zu entwickeln. Aber heute würden sie von der Tageshitze nicht mehr so viel mitbekommen - nach einem Erfrischungsbad in der Etsch und einem kurzen Frühstück - vorsichtshalber hatten sie sich in der Ristor-Agip- Station nahe Mailand noch mit Vorräten eingedeckt - brachen sie auf und fuhren die schmale, teilweise etwas halsbrecherisch anmutende Straße nach Welschnofen hinauf; ein kurvenreiches, ständiges Wechselbad aus hellem Morgensonnenlicht und tiefstem Nachtschatten. Die Natur begann allmählich zu erwachen, die ersten Bauern auch. Aber um diese Morgenstunde gab’s auf dieser Straße wenigstens keinen Gegenverkehr, bestehend aus rasenden Südtirolern, die die ihnen bestens bekannten Kurven geradezu selbstmörderisch zu schneiden pflegten. Gegen diese Gepflogenheiten war selbst der Stadtverkehr von Paris, Rom oder gar Neapel noch geruhsam.
Nach etwa einer halben Stunde erreichten sie den Karer See mit seinem türkis funkelnden Wasser und dem tristen Großparkplatz für Touristen, auf die die obligatorischen Stände der Andenken- und Postkartenhändler noch nicht geöffnet hatten. Wozu auch; so früh verirrte sich noch niemand hierher, den man neppen konnte.
Unmittelbar vor dem Paß bog der Querweg von der Straße nach Vigo ab, der unter dem Felsmassiv des selbst bei normalem Tageslicht eindrucksvoll wirkenden Rosengartens hinweg über eine andere Route und ein paar kleine Dörfer zurück nach Bozen führte. Zamorra sah den Zwerg fragend an; der nickte. Also bog der Parapsychologe ab.
Er fuhr diesen Weg mit recht gemischten Gefühlen. Damals, als sie Laurin zum ersten Mal in seinem Reich besuchten, hatte Sintram, der Verräter, hier eine Steinlawine niedergehen lassen, unter der Zamorras Mietwagen zerschmettert wurde. Unglaublich hoch und steil ragte das Felsmassiv jetzt rechts neben dem Weg auf. Hier gab’s noch rechts und links Wiesen, die zum Berg hin immer steiler wurden, und es führte sogar eine Seilbahnstrecke in den Berg hinauf - allerdings nicht in den echten Rosengarten. Der lag dermaßen hoch und war so steil angelegt, daß nicht einmal Bergsteiger hinauf kamen. Einige, die es versucht hatten, konnten von der Bergrettung nur noch tot geborgen werden.
Plötzlich gab Aldebaran das Zeichen zum Stoppen. Zamorra fuhr den BMW an den Straßenrand, halb in den Graben, so daß andere Fahrzeuge noch vorbeikamen. »Und jetzt?« fragte er. Skeptisch sah er an den Felsen empor. »Klettern wir etwa hinauf, oder gibt es in erreichbarer Höhe einen geheimen Weg in den Berg?«
Der Zwerg schüttelte den Kopf. »Wir müssen dort hinauf, Herr Montagne«, sagte er. Mit ausgestrecktem Arm deutete er auf eine Stelle auf halber Höhe. Zamorras Augen wurden schmal; er versuchte vergeblich einen auch nur halbwegs besteigbarer Pfad zu erkennen.
Weitere Kostenlose Bücher