0482 - ... dann jagten wir ihn 30 Stunden
dritte, der angebliche Räuber, ist noch hier geblieben, das heißt, dort…«
Er deutete zur Telefonzelle an der Mulberry Street und stellte dann fest, was ich auch schon wusste: »Jetzt ist er auch nicht mehr da. Suchen Sie ihn?«
»Ja, ich suche ihn…«
»Mein Gott«, murmelte er. Seinem Gesicht sah ich an, was er dachte. An die verpasste Gelegenheit, einen guten Fang zu machen.
»Er ist ein Kollege von uns«, fügte ich deshalb hinzu.
Dann kam mir ein Einfall. »Passen Sie auf, wenn Sie diesen Mann noch einmal sehen, schicken Sie ihn dort zu diesem roten Jaguar. Er soll mir eine Nachricht hinterlassen. Wenn Sie ihm das sagen, weiß er Bescheid.«
»Ich werde aufpassen, Sir!«, brüllte er in strammer Haltung, und ich sah ihm an, dass keine Macht der Welt ihn von seinem Beobachtungsposten vertreiben konnte.
Ich klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und ging weiter. Die Telefonzelle war näher und unbesetzt. In meiner Manteltasche fand ich einen Dime. So sparte ich mir den Weg zum Wagen und wählte in der Kabine unsere LE 7-7700.
Myrna meldete sich.
»Hat Phil in der letzten Viertelstunde angerufen?«, fragte ich.
»Sorry, Jerry«, bedauerte Myrna.
Mit einem Seufzer hängte ich den Hörer wieder auf, schlug den Mantelkragen hoch und marschierte los, Richtung Chinatown. Wenige Schritte brachten mich in eine andere Welt. Es duftete nach Sandelholz und exotischen Gewürzen, der leichte Wind spielte mit bunten Laternen und seidenen Reklamefahnen. Chinesische Holzsandalen klapperten auf dem Pflaster, und chinesische Gewänder leuchteten aus dem flanellgrauen Einerlei der Passanten.
Doch ich hatte keinen Blick für diesen immer wieder neuen Reiz des Stadtteils. Ich musste Phil finden. Oder die beiden Männer, die er beschattete. Unseren Kollegen Joe Brandenburg, der dabei war, sich das Vertrauen der Unterwelt zu erschleichen, und dem Gangster Scotty Rock, von dem wir nicht wussten, ob er das Spiel vielleicht längst durchschaut hatte.
Suchend ging ich durch die Pell Street. Von irgendwoher schlugen fremdländische Musikweisen an mein Ohr. Aus einer Garküche duftete es verführerisch. Ein älterer Chinese sprach mich an und bot irgendetwas feil.
In diesem Moment sah ich den Lieferwagen mit der Aufschrift eines Windelverleihs.
Ich kann heute noch nicht sagen, warum er mir gleich auffiel.
Wie angewurzelt blieb ich stehen und sah dem Wagen entgegen.
Etwa 80 Yard vor mir fuhr er an den rechten Straßenrand.
Genau vor dem Lokal »Lum-Yan«, blieb er stehen.
Ich drückte mich in einen Hausflur. Mein Puls jagte, und ich spürte das Jagdfieber, ohne zu wissen, was jetzt passieren konnte. Es war einfach der Instinkt, der mich so handeln ließ, wie ich es jetzt tat.
Gestalten stiegen aus dem Lieferwagen. Es waren drei Männer in blauen Gabardinemänteln. Jeder der drei trug einen grauen Filzhut.
Die Männer sahen aus wie Angestellte, die Feierabend hatten und nun ein Glas Bier trinken und eine Kleinigkeit essen wollten. Es störte nur, dass sie in einem Lieferwagen gekommen waren. Und es störte, dass sie einheitlich gekleidet waren. Sie waren ganz auffällig unauffällig.
Vier Schritte waren es vom Lieferwagen bis zum Eingang des Lokals. Vier Sekunden brauchten die Männer höchstens für diese kurze Entfernung. Die kurze Zeitspanne reichte mir, um alles wie auf einem Film in mich aufzunehmen.
Nie zuvor hatte ich diese drei Männer gesehen. Und doch kannte ich seit etwa einer Stunde einen von ihnen.
Er musste eigentlich schon längst tot sein.
Einer von den drei Männern hieß Ernie. Vermutlich, wenn unsere Experten sich nicht geirrt hatten. Ernie Madrida.
Ich erinnerte mich an das, was Neville gesagt hatte. Es gab keinen Zweifel. In den wenigen Sekunden und bei der verhältnismäßig großen Entfernung konnte ich bei der herrschenden Dunkelheit nichts von einer Narbe sehen. Venez mit der Narbe am Kinn, Madrida mit einer solchen an der linken Schläfe. Das hatte ich von Nevilles Worten in Erinnerung.
Die drei Männer verschwanden im Eingang zum »Lum-Yan«.
Schnell löste ich mich aus der Hausnische. Meine Hand schob sich unter das Jackett und fasste den Kolben der 38er.
Wenn mich nicht alles täuschte, hatten die drei das Gleiche vor wie am frühen Nachmittag in Daddys Place. Diesmal wollte ich es verhindern.
Ich sprintete die Straße entlang. Es war vergeblich. Kaum die Hälfte der Strecke hatte ich hinter mir, als im »Lum Yan« das Inferno losging.
Es begann mit einem spitzen, lang
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