0482 - Die mörderischen City-Gnome
die Shirland Road ein, die geradewegs in den Vorort West Kilburn hineinführte. Dort lebten Menschen wie du und ich.
In dieser Gegend war in den letzten Jahren viel gebaut worden. Wohnungen, die von der Stadt mitfinanziert wurden, aber auch Häuser auf dem freien Markt. Man zog gern nach West Kilburn. Man fühlte sich dort wohl, war vom großen Trubel der City of London ziemlich weit entfernt und hatte trotzdem alle Geschäfte vor der Haustür. Außerdem war das Leben hier billiger als in der City.
Die Explosion hatte natürlich in das relativ beschauliche Leben der Bewohner Bewegung gebracht.
In West Kilburn war man aufgeschreckt worden, doch niemand konnte sich einen Grund vorstellen, weshalb das Haus in die Luft geflogen war.
Es hatte auch etwas gebrannt, so daß die noch stehenden Fassaden schwarz wie Ruß wirkten.
Natürlich war diese Ruine ein Anziehungspunkt nicht allein für Erwachsene. Auch die Kinder gingen hin und konnten sich nicht satt daran sehen. Aber keiner wagte es, den Sperrzaun zu überklettern und die düstere Landschaft zu betreten.
Man hatte Angst. Die Ruine wirkte irgendwie unheimlich. Sie wollten damit auf keinen Fall etwas zu tun haben. So hatte sich eine gewisse Flüsterpropaganda gebildet, daß mit der Ruine etwas nicht stimmte.
Davon wußten Quiller und Perry nichts, als sie sich dem Haus näherten. Perry gab noch eine Meldung an die Zentrale durch. Er sprach von einer sehr ruhigen Fahrt.
Als er den Hörer sinken ließ, warf er Quiller einen Blick zu. »Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen, an der Ruine vorbeizufahren?«
»Eigentlich du.«
»Wirklich?«
»Ja, aber ich hatte sie gleichzeitig und wollte dir davon berichten. Du bist mir nur zuvorgekommen.«
Der wesentlich dickere Perry runzelte die Stirn. »Seltsam ist das schon.« Er lachte auf. »Als wären wir geleitet worden, von wem auch immer.«
»Wie meinst du das denn?«
»Wenn zwei unabhängig voneinander plötzlich das gleiche denken, ist das schon sehr rätselhaft.«
Perry hob die Schultern. »Aber es gibt diese Zufälle im Leben.«
»Ja, und das hat sicherlich nichts mit der komischen Hausruine zu tun«, fügte Quiller hinzu.
»Meinst du wirklich?«
Quiller betätigte den Blinkhebel. Er mußte rechts abbiegen. »Jetzt tu aber nicht so. Das kommt mir fast so vor, als würdest du an Gespenster glauben.«
»Das nicht gerade.«
»Aber?«
Perry hob die Schultern. »Ich weiß es auch nicht. Ich weiß es wirklich nicht.«
Sie fuhren durch eine typische Wohnstraße. Rechts und links rahmten alte Hausfassaden die Fahrbahn ein. Aufgelockert durch Geschäfte und kleine Gaststätten. Parkplätze gab es kaum. Wer einen ergattert hatte, konnte stolz sein.
»Wir müßten eigentlich schon dort sein«, bemerkte Perry.
»Ja. - Die nächste rechts, dann wieder links.«
»Du kennst dich aus.«
Quiller nickte. »Ich fahre ja auch länger als du.«
»Die drei Jahre.«
»Zuvor habe ich ein Taxi gefahren. Da lernst du London kennen, das kannst du mir glauben.«
Sie bogen rechts ab in eine Einbahnstraße, die ziemlich schmal war. An der linken Seite befand sich eine Großbäckerei. Es roch nach frisch gebackenem Brot. Dieser Geruch wehte sogar über die Straße. Beide Männer wußten, daß das in die Luft geflogene Haus hinter der Bäckerei lag.
»Die haben Glück gehabt, daß sie verschont geblieben sind.« Perry lachte. »Wenn ich mir vorstelle, daß Massen von Teig in die Luft geflogen wären…« Er schüttelte den Kopf. »Nicht auszudenken.«
Am Ende der Straße konnten sie nur links ab. Dort befand sich hinter einer Brandmauer der Parkplatz der Brotfabrik, wo die zahlreichen Lieferwagen standen. Ein Eisentor war weit geöffnet worden, doch der Blick auf den Parkplatz interessierte die beiden Fahrer nicht. Über holpriges Pflaster führte ihr Weg in die Straße hinein, an der die Ruine lag. Ein älterer Mann, der auf einem fast ebenso alten Fahrrad strampelte, kam ihnen entgegen. Auf seinem Gepäckträger schaukelte ein Kasten mit leeren Bierflaschen.
Die ganze Zeit über hatte sie schon ein grauer Himmel begleitet. Kein freundliches Grau, eher düster und irgendwie bedrohlich wirkend. Die Sonne kam nicht durch. In der Nacht und in den frühen Morgenstunden hatte es noch Schneeregen gegeben. Die Straßen waren feucht. Manche Pfützen schimmerten wie schwarzer Lack.
Das Haus lag auf der linken Seite. Beide Männer konnten bereits den Absperrzaun sehen, dessen Beginn und Ende mit einer rotweißen Warnfarbe markiert
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