0483 - Im Zeichen des Ganjos
war es fast ein Wunder, daß uns die Arrivawächter nicht einholten. Offenbar führten sie keine Infrarotspürgeräte mit, waren andererseits aber zu sehr abhängig von moderner Technik, daß sie die geringfügigen Spuren, die wir hinterließen, nicht entdeckten.
Nach einer halben Stunde befanden sich Perry und ich immer noch auf dem Abstieg. Wir stießen erstmals auf Gewölbe und Gänge aus Naturgestein. Der Tempel mußte einst auf den Trümmern eines anderen Tempels errichtet worden sein. Hier unten war es kalt und naß. Teilweise wateten wir durch knöcheltiefes Wasser, und die Mauern sahen so brüchig aus, daß wir kaum zu atmen wagten.
Und dann standen wir vor einer festgefügten Wand und kamen nicht weiter.
Die Wand hatte offenbar zu einem Saal gehört, von dem jetzt die Hälfte mit Schutt gefüllt war. Ein verbeulter Trinkkrug aus Bronze rollte scheppernd davon, als ich mit dem Fuß gegen ihn trat.
Perry tastete das Mauerwerk der Wand ab, verzweifelt nach einem Ausweg suchend. Wir wußten beide, daß wir nicht zurück konnten, denn seit einer Viertelstunde waren wir an keiner einzigen Abzweigung vorbeigekommen. Diesmal gab es keinen Ausweg aus der Sackgasse.
„Laß es gut sein, Perry", sagte ich und zog die Schockwaffe aus dem Gürtelhalfter. „Vielleicht schlagen wir uns durch." Ich glaubte nicht daran. „Nur keine Hochenergiewaffen benutzen, sonst fällt uns die ganze Tempelruine auf die Köpfe."
Ein Steinblock prallte dicht neben meinen Füßen auf den Boden. Beinahe hätte er mich getroffen. Ich sprang zurück und wollte den Terraner zurechtweisen, als ich sah, daß er einen Arm in die Lücke geschoben hatte, aus der der Steinblock stammte.
Sekunden später gab es einen Knall, als wäre eine Sektflasche geöffnet worden, dann rieselte schmutzigbraunes Wasser an Perrys Ärmel entlang.
„Hast du eine Wasserader entdeckt?" fragte ich sarkastisch.
Mein terranischer Freund zog den Arm aus der Öffnung, trat einige Schritte zurück und schien auf etwas zu warten. Irgendwo in dem Labyrinth über uns polterte etwas. Die Arrivawächter kamen näher.
Plötzlich knirschte und krachte es in der Wand aus Steinblöcken, kleine Stücke lösten sich und fielen zu Boden, dann drehte sich ein Teil der Wand, als wäre er auf Zapfen montiert.
Perry und ich leuchteten gleichzeitig in die Öffnung. Wir blickten in einen aus rohem Fels gehauenen Gang und auf eine seltsame Konstruktion aus Bronzeröhren, aus denen Wasser rieselte und über deren obere Ränder eine gelbliche Masse quoll.
„Ein uralter Mechanismus", erklärte der Terraner stolz. „Ovaron brachte mich darauf. Und nun weiter!"
Er stieß mich in den Felsstollen hinein, folgte mir und überlegte einen Herzschlag lang, bevor er den Hochenergiestrahler hob und einen Schuß auf die seltsame Konstruktion abgab. Die Entladung war nicht sehr stark, reichte aber aus, um die gesamte Konstruktion zusammenschmelzen und teilweise verdampfen zu lassen. Wie von einer Sehne geschnellt, krachte der drehbare Wandteil in die alte Lage zurück. Ein dumpfes Poltern kam von der anderen Seite. Wahrscheinlich war ein weiterer Teil der Halle eingestürzt.
„Wohin führt der Stollen?" fragte ich flüsternd.
„Keine Ahnung", gab Perry zurück. „Darüber konnte mir Ovaron nichts mitteilen. Wir werden es schon sehen, Arkonide." In seiner Stimme schwang ein wenig Ironie mit.
Ich folgte ihm resigniert, als er sich umwandte und mit federnden Schritten den Gang entlangeilte. Wenn er glaubte, schon jetzt triumphieren zu können, dann erlebte er womöglich ein böses Erwachen. Diese Anlage war meiner Schätzung nach Jahrzehntausende alt, wenn nicht noch älter, ein Fluchtweg, der seit vielen Jahrtausenden auf der anderen Seite verschüttet sein konnte. Dennoch mußte ich widerwillig den ungebrochenen Optimismus des Terraners bewundern.
Eine Stunde später fanden wir zwei Skelette. Nach ihrer Lage zu urteilen, hatten ihre Besitzer zu Lebzeiten auf dem Boden des Stollens gesessen, die Rücken gegen die feuchtkalte Wand gelehnt, und in dieser Stellung waren sie gestorben.
Perry bückte sich und hob einen Gegenstand auf, der neben der Knochenhand des einen Skeletts lag.
„Ein Armband-Chronograph!"
Er grinste über meine Überraschung, war sie doch für ihn der Beweis, daß der Stollen noch in relativ junger Vergangenheit zugänglich gewesen war.
Zehn Minuten später stießen wir auf eine stählerne Tür mit einem klobigen Handrad. Das Rad ließ sich ein kleines Stück ganz
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