0484 - Die Rächerin aus Aibon
und legte die Beine auf den Schreibtisch. »Wo denn? Im Radio?«
»Nein, wir bekamen eine Meldung. Es war die übliche Routine, aber ich wurde stutzig.«
»Weshalb?«
»Der Unfall, in den mehrere Wagen verwickelt gewesen waren, ist durch ein ungewöhnliches Ereignis ausgelöst worden. Jemand will auf der Fahrbahn eine Gestalt gesehen haben, die drei Särge hinter sich herzog. Es war eine junge Frau oder ein Mädchen mit goldfarbenen Haaren und…«
»Der Zeuge hatte recht«, unterbrach ich meinen Freund, bevor er mir das erklären konnte, was ich ebenfalls gesehen hatte.
Suko schaute mich an. »Wie kommst du darauf? Hast du sie ebenfalls gesehen?«
»Ja, als ich im Stau stand. Auf einmal war sie da. Sie sah so aus, wie der Zeuge sie dir beschrieben hat. Sehr zart, hübsch, und sie besitzt tatsächlich goldenes Haar.«
»Wie ist es mit den drei Särgen?«
»Sie zog sie hinter sich her.«
Suko runzelte die Stirn. »Da scheint mir etwas im Gang gekommen zu sein, auf das wir gefaßt sein müssen. Weißt du mehr?«
»Sie heißt Jarveena und stammt aus Aibon. Sie ist gekommen, um sich zu rächen.«
»An uns?«
»Nein, das glaube ich nicht. Sie sucht die Personen, die angeblich ihre Familie getötet und sie geschändet haben sollen. Das jedenfalls berichtete sie mir.«
»Dann mußt du schon auf einem sehr vertrauten Fuße mit ihr gestanden haben.«
Ich hob die Schultern. »Nein, nicht so vertraut. Sie antwortete nur auf meine Fragen.«
»Aber mitkommen wollte sie nicht?«
»Nein, als ich sie anfassen wollte, da verschwand sie plötzlich. Du kennst das ja. Sie löste sich so schnell auf, als hätte es sie nie zuvor gegeben.«
Suko dachte einen Moment nach. »Und du weißt auch nicht, wen sie suchte?«
»Nein.«
»Das ist seltsam.« Er beugte sich vor. »Kann es mit den Zwergen zusammenhängen?«
Ich nahm meine Beine vom Schreibtisch, weil Glenda das Büro betrat. Sie hatte für Suko einen Tee aufgebrüht und stellte beide Tassen vor uns auf die Unterlage.
Ich trank erst einen Schluck, bevor ich auf Sukos Frage näher einging. »Das habe ich mich natürlich auch gefragt, aber ich sehe keine Verbindung zwischen den beiden Fällen.«
»Ja, sicher, das kann sein.« Er hob die Schultern. »Es ist seltsam, daß in der letzten Zeit Aibon immer mehr ins Rampenlicht tritt. Findest du nicht auch?«
»Nicht nur Aibon, auch die Templer.«
»Klar, die Allianz zwischen beiden, die zum Glück gestoppt worden ist. Wieso ist diese Jarveena so plötzlich erschienen? Kann es damit zusammenhängen, daß Aibons Magie in unsere Welt gespült worden ist. Ich denke da an das zerstörte Haus.«
»Daran habe ich auch gedacht. Jarveena wird den Sog ausgenutzt haben. So etwas kommt ja nicht oft vor.«
»Aber weshalb zeigt sie sich erst jetzt? Sie hätte viel früher kommen und…«
»Möglicherweise wollte sie so lange warten, bis ich wieder in London bin.«
»Eingebildet bist du nicht, wie?« grinste mein Freund.
»Wieso? Kann doch sein.«
»Ja, das schon. Wir müssen es jedenfalls im Auge behalten.«
Glenda hatte das Büro nicht verlassen. Sie stemmte beide Arme in die Hüften und fragte: »Sagt mal, wovon redet ihr eigentlich? Ich höre nur Jarveena und Aibon. Was soll das alles?«
»Dabei geht es nur um den Stau«, sagte Suko.
»Den auf dem Motorway?«
»So ist es«, sagte ich.
»Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, gab sie zu.
»Durch den Stau sind wir praktisch in einen neuen Fall hineingerutscht«, erklärte ich.
Glenda war gut informiert worden. Sie schaute Suko an. »Dann haben diese Zeugen also nicht gelogen?«
»Es scheint so.«
Sie strich durch ihr schwarzes Haar. »Das ist ja ein Ding. Ich hätte fast gewettet, daß die Männer sich die Bilder, von denen sie sprachen, eingebildet haben.«
Ich trank wieder und freute mich über den herrlichen Geschmack.
»Möchtest du noch eine zweite Tasse, John?«
»Später, Glenda. Aber weiter im Text. Wir müssen also damit rechnen, daß ein Mädchen aus Aibon mit drei gläsernen Särgen hier durch London streift. Ich bin gespannt, ob sie ihr Ziel erreicht.«
»Wenn man nur wüßte, wen sie sucht.« Suko ärgerte sich und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Hat sie wirklich keine Andeutungen in diese Richtung gemacht?«
»Nein, das sagte ich schon.«
»Dann können wir nur darauf hoffen, daß sie noch gesehen wird. Oder willst du Patrouille fahren?«
»Ich kann mir etwas Besseres vorstellen. Außerdem quälen uns andere Probleme.«
»Abbé
Weitere Kostenlose Bücher