0485 - Mein Killer war ein Gentleman
Tim Reshing begriff noch nicht, worauf der Boß hinauswollte. Längst hatte er gelernt, daß ein falsches Wort am falschen Platz verheerende Folgen haben konnte. Was in dieser Minute richtig und was falsch war, wußte Tim Reshing jetzt nicht.
Arnold seufzte. »Mensch, ich will wissen, was du von Charly Dark hältst! Traust du ihm zu, daß er uns jetzt im Stich läßt?«
Reshing begann zu begreifen. »Is’n verdammt gefährlicher Job, den er hat«, sagte er deshalb vorsichtig.
»Aha!« stellte Arnold fest. »So gefährlich, daß du es immerhin für möglich hältst, daß er kneift!«
Reshing wußte jetzt, in welcher Richtung der Boß war. »Okay«, sagte er schnell, »wenn du selbst diese Tour bei ihm annimmst — ich habe es immer gewußt!«
Jack Arnold kam nicht mehr dazu, seinen Kommentar zu geben.
Völlig ohne Anmeldung flog die Tür auf. Lefty Gordon stand da. Sein Gesicht war gerötet, die Augen glänzten, und sein Atem ging stoßweise.
»Boß«, keuchte er, »Boß, es hat geklappt. Sie spielen alle total verrückt. Die Bullen, die Greifer von der Kriminalabteilung, die Feuerwehr, alle. Der ganze Kanal ist in die Luft geflogen. Alarmstufe 1!«
»Was — der ganze Kanal…« sagte Arnold ungläubig.
»Ja!« keuchte Lefty Gordon. »Der ganze Kanal! Und weißt du, wer gerade unter Wasser war? Weißt du, wen es dort zerrissen hat?«
»Idiot! Mach dein Maul auf und laß mich keine Rätsel raten! Wer ist dabei draufgegangen?«
»Dieser G-man Cotton!« rief Lefty Gordon. »Du müßtest das Gejammer hören, das sie seinetwegen auf der Polizeiwelle veranstalten!«
***
»Jerry!« brüllte Phil noch einmal, als er das Wasser wieder ausgespuckt hatte.
Doch sein Ruf blieb ohne Antwort.
»Los, Mister, kommen Sie an Bord, wir haben noch mehr Leute herauszufischen!« sagte der Hafenpolizist an der Reling des schlingernden Bootes. In dieser Situation konnte er sich auch einem G-man gegenüber nicht anders verhalten.
Phil griff nach dem zweiten Seil, das ihm jetzt entgegenflog. Einmal rutschte er ab, aber beim zweitenmal bekam er die Seile fest in den Griff und wickelte sie sich einmal um jeden Unterarm.
Der Polizist hatte oben die Seile ebenso gefaßt. Phil wunderte sich über die Kraft, die der Mann aufbrachte. Er zog ihn einfach aus dem Wasser heraus. Phil half mit. Er stützte sich mit den Füßen an der Bordwand ab, lief beinahe an der senkrechten Wand hoch. Schließlich erschien noch ein zweiter Hafenpolizist an der Reling. Er beugte sich weit vornüber und griff nach Phil.
»Ab in die Kajüte!« rief irgend jemand, und Phil spürte starke Arme, die ihn festhielten. Mit einem Ruck riß er sich los. Er merkte zwar, daß seine Knie weich waren, aber er riß sich zusammen.
Das Wasser lief in Strömen aus seinem Anzug, als Phil das Deck entlanglief.
»Wo ist Jerry Cotton?« fragte Phil.
Bleachout schüttelte den Kopf. »Sorry, Decker! Er war beim Auftauchen kurz hinter Williamson, mit dem Kopf gerade Über dem Wasserspiegel. Mein Taucher war zuerst auf der Leiter, um Mr. Cotton beim Aufsteigen zu helfen. In diesem Moment kam die Explosion. Die Druckwelle muß Ihren Kollegen mit voller Wucht unter die Leiterverstrebungen gerissen haben…«
Bleachout sprach nicht weiter, sondern starrte nur auf die Wasserfläche,- die vom Bootsdeck aus gar nicht so dunkel aussah.
Der Wind spielte mit den drei zerrissenen Verbindungen. Phil wußte, was das zu bedeuten hatte. Ein Taucher, der in dem Gummianzug und dem eisernen Helm steckte, war ohne die Luftverbindung und ohns die Führungsleine verloren.
Höchstens ein Wunder konnte ihn retten. Ein ganz schnelles Wunder.
»Mein Gott, Bleachout, so tun Sie doch etwas für Jerry!« murmelte Phil.
»Wir tun, was wir können«, sagte Bleachout leise. Er deutete auf das Wasser.
Phil sah jetzt, daß das Boot unendlich langsam Fahrt machte. Am Ausleger hingen die drei Leinen des Polizeitauchers. Daneben stand ein Offizier mit dem Telefonhörer am Ohr.
»Ist Williamson schon wieder unten?« fragte Phil mit rauher Stimme.
»Ja«, sagte Captain Bleachout. »Er ist unten und sucht nach Cotton.«
»Wie groß sind die Aussichten, ihn zu finden?«
»Sehr groß. Solange er nicht in die Hudsonströmung getragen wird, müssen wir ihn hier im Becken finden. Aber…«
»Aber?« fragte Phil, obwohl er die Antwort schon kannte.
»Wir haben nur ein paar Minuten Zeit. Wenn er innerhalb dieser paar Minuten nicht gefunden wird, dann…«
Phil wischte sich mit der Hand Über das Gesicht.
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