0487 - Das Syndikat kennt kein Erbarmen
Ich habe im Rückspiegel, den ich zur Seite gedreht hatte, die beiden genau beobachtet und das Gefühl gehabt, daß Lyman das Mädchen entführte. Sie sah mehr als unglücklich aus.«
»Und warum ist sie überhaupt ausgerissen?«
»Ich weiß es noch nicht, aber das wird uns das Tonband zeigen. Sie führte ein Gespräch vom Flur aus, rannte in ihr Zimmer und ergriff fünf Minuten später die Flucht. Bis hierher blieb ich ihr auf den Fersen.«
»Wenn Lyman sich ergeben hätte, wäre er noch am Leben«, murmelte ich und zog ihm die Autodecke über den Kopf, die mir ein Cop brachte.
Zwei Ambulanzwagen kamen, in die wir Jane und Errol Verfrachteten. Jane Milford wurde in das Krankenhaus zurückgebracht, aus dem sie ausgerissen war. Murphy übernahm die Wache für die nächsten zwölf Stunden und hatte diesmal den Auftrag, nicht nur darauf zu achten, daß keiner zu Jane ins Zimmer kam, sondern auch darauf, daß sie nicht wieder entwischte. Noch immer hatten wir ihre Aussagen nicht' und tappten über ihre Rolle in der Gang so ziemlich im dunkeln.
Als ich ins FBI-Gebäude' zurückkam, nachdem ich Phil beim District Attorney abgesetzt hatte, wartete Mr. Laurel in meinem Büro auf mich.
Mit knapper Bewegung fischte er einen weißen Anderthalb-Cent-Umschlag aus der Innentasche und legte ihn mir vorsichtig auf den Tisch. »Das hier kam heute mit der Morgenpost«, setzte er leise hinzu.
Ich nahm den Umschlag, überflog die Adresse und holte einen abgerissenen Zettel heraus, der in plumpen Zügen eine Zeichnung zeigte. Es handelte sich um einen mit schwarzem Filzstift gemalten Sarg, der ein paar Initialen trug: Th. L.
»Das soll wahrscheinlich für meinen Namen stehen«, erklärte Laurel und strich sich Über die gestutzte Bürste, »Theodore Laurel.«
»Haben Sie schon einmal so eine Drohung erhalten?« fragte ich und hielt das Papier gegen das Licht. Es war offenbar von einem Schreibblock abgerissen, wie ein paar unleserliche Linien zeigten, die sich durchgedrückt hatten.
»Noch nie«, murmelte er. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum man mir das schickt und wer dahintersteckt. Vielleicht einer von den Einbrechern der letzten Nacht?«
»Schon möglich«, nickte ich. »Ich schlage Ihnen vor, Sie nehmen ein paar Tage Urlaub und genießen unseren Schutz.«
»Das geht nicht«, wehrte er ab. »In den nächsten Tagen ist die Inventur fällig, und da muß ich unbedingt dabei sein.«
»Dann werden wir Ihnen jemand zur Bewachung mitgeben. Sie dürfen die Drohung keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen.«
Er starrte mich erschrocken- an und hob abwehrend die Hände.
»Solange Sie sich an unsere Anweisungen halten, kann Ihnen nichts passieren«, beruhigte ich ihn. »Was haben Sie anschließend vor?«
»Ich muß noch einmal zurück, die Tageseinnahmen zur Bank bringen und einen zweiten Schlüssel am Revier abgeben.«
»Okay, schließen Sie sich den beiden Kollegen an, die die Wache heute nacht übernehmen sollen!« sagte ich.
Als Laurel draußen war, konnte ich endlich den Bericht des chemischen Labors durchlesen. Unsere Spezialisten hatten die Masse gründlich untersucht, die ich aus Janes Apartment mitgebracht hatte, und ein paar sehr aufschlußreiche Tatsachen festgestellt. Danach handelte es sich um ein Gemenge aus drei Stoffen, die sich von dem Zeitpunkt des Vermischens an immer mehr erhitzen und ohne weiteres leicht brennbare Stoffe entzünden können. Als maximale Zeit waren 30 Minuten angegeben. Das Zeug war bis auf das Entzündungsmaterial nicht zu kaufen. Man konnte es nur mit großem Aufwand selber hersteilen oder von den Pioniereinheiten der Army bekommen, die damit für Spezialeinsätze ausgerüstet waren.
Die Formel füllte zwei Spalten aus, und ich rahmte sie rot ein. Dann rief ich den Quartermaster der Armee an und erkundigte mich, an welchen Stellen das Zeug deponiert war. Ich mußte ihm die Formel dreimal wiederholen, und den Stoff beschreiben, bis er kapierte, worum es sich handelte. Dann war ein paar Minuten Stille, und ich erhielt die Adresse zweier Trainingscamps in der Nähe von New York. Außerdem notierte ich die Namen der Ortskommandanten und deren Telefonnummern und rief sofort anschließend an. Mich interessierte, ob man überhaupt feststellen konnte, daß ein Teil davon entwendet worden war. Beide Majore schworen, Über jedes Gramm würde genau Buch geführt. Ich bat um Feststellung, wo etwas fehlte und hinterließ meine Telefonnummer.
Phil kam eine Minute später in mein Büro.
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