0487 - Griff aus dem Nichts
nichts mehr im Wege, solange Don Cristofero die Dienste des Gnoms nicht erforderte. Aber an sich war er ein milder Herr; er mochte es zwar gar nicht, wenn der Namenlose seinem Drang nach Süßigkeiten nachging und alles andere darüber vergaß, aber er hätte es wirklich schlechter treffen können. Don Cristofero war ein durchaus nachsichtiger und toleranter Mensch. Er konnte das nur nie zugeben und verbarg diesen Teil seiner Seele deshalb hinter der Maske des Polterkopfes. Der Gnom war der einzige, der ihn derart durchschaut hatte, und der Gnom war auch der einzige, der wirkliche Freundschaft zu Don Cristofero empfand. Das war mehr als nur das Wissen, daß der Adelige den Verwachsenen praktisch aus einem Dreck geholt hatte, in dem sich nur der Abschaum wohl fühlte. Es war viel mehr. Und der Gnom wußte auch, daß sein Herr, so sehr er auch schimpfen und poltern mochte, trotz allem diese Freundschaft spürte und erwiderte.
Er durfte sie nur nicht zeigen.
Es war nicht standesgemäß.
Dennoch war der Gnom mit sich, seinem Leben und seinem Herrn mehr als zufrieden, und er war bereit, alles für seinen Herrn zu tun, was er nur tun konnte. Es war sein Pech, daß sein Zauber immer wieder mißriet.
Aber zumindest diesmal hatte es geklappt, das wußte er. Es war ja auch nicht schwierig, eine Ortsversetzung durchzuführen, wenn man wußte, wie es gemacht wurde.
Er suchte das Gästezimmer auf. Vermutlich mußte er seinen Herrn noch vom Sessel ins Bett wälzen. Aber das war ja keine große Arbeit mehr. Der Gnom betrat das Zimmer, das dem Don schon damals zur Verfügung gestanden hatte, und in das er ihn jetzt mitsamt dem Sessel gezaubert hatte.
Das Zimmer war leer.
Fassungslos stand der Schwarzhäutige da und begriff nicht, wieso schon wieder etwas danebengegangen war.
Daß er in jenem Sekundenbruchteil, in welchem die magische Versetzung stattfand, ganz kurz an Zamorra gedacht hatte, daran erinnerte er sich längst nicht mehr. Deshalb wußte er natürlich auch nicht, daß er seinem Herrn eben dadurch während der Versetzung eine andere Zielrichtung gegeben hatte…
»Raffael!« schrie er. »Monsieur Raffael! Wo sind Sie? Etwas Schreckliches ist geschehen!«
***
Nik Landaron hatte sich auf seine Pritsche geworfen und versuchte zu schlafen. Zwei, drei Stunden nur, das würde vermutlich reichen, ihn wieder einigermaßen fit zu machen. Vielleicht fiel ihm bis dahin auch etwas ein, das er zur Rettung Sulas unternehmen konnte. Momentan drehten seine Gedanken sich ständig im Kreis, und dieses Rotieren sorgte zu seinem Verdruß auch dafür, daß er trotz seiner Müdigkeit nicht einschlafen konnte. Unruhig wälzte er sich auf seinem Lager hin und her. Aus seinem Versuch, zu schlafen, wurde einfach nichts.
Plötzlich wurden Stimmen auf dem Korridor laut. Landaron fuhr hoch. Das war doch der Hauptmann! Augenblicke später flog die Tür krachend auf. »Hier ist er auch nicht«, schnarrte eine Stimme, um sich im nächsten Moment fast zu überschlagen: »Doch, da ist er! Auf dem Bett!«
Vier Männer bemühten sich gleichzeitig einzutreten. Zuerst zwei Krieger, die blanken Klingen in den Fäusten. Einer von ihnen war es, der die Tür aufgestoßen und gebrüllt hatte. Dahinter erschien der Hauptmann, und dann - Brick Solonys!
Mit einem Sprung war Landaron auf den Beinen und streckte die Hand nach dem Waffengürtel aus. »Halt!« stieß einer der beiden Krieger hervor. Die Spitze seines Kampfschwertes berührte fast Landarons Hand. »Nicht anfassen! Zurück!«
Landaron holte tief Luft.
»Ich hoffe, du hast dir sehr gut überlegt, was du tust, Soldat!« sagte er rauh. »Und ich hoffe, du hast auch eine gute Erklärung dafür, daß ihr ohne anzuklopfen einfach so hereingepoltert kommt!«
»Der wird auch noch frech«, keuchte Brick Solonys im Hintergrund und wollte sich an dem Hauptmann vorbei auf Landaron stürzen. Des Hauptmanns Hand schnellte vor und hielt den alten Mann fest.
»Loslassen!« tobte Solonys.
»Später, wenn Ihr Euch beruhigt habt, Herr«, sagte der Offizier. »Vizehauptmann Landaron, die Erklärung bekommst du von mir! Der Herr Solonys beschuldigt dich, seine Tochter entführt zu haben, welcher du schon seit geraumer Zeit nachstellst. Er hat es dir verboten, nicht wahr?«
Landarons Augen wurden groß.
»Entführt? Ich soll Sula entführt haben? Das - das ist ja das Letzte! Das ist ja krankhaft!« schrie er. »Der alte Mann hat den Verstand verloren! Er haßt mich und will mir schaden! Dabei…«
Der
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