049 - Der Android
weshalb er Takeo hergebeten hatte… Crow beobachtete ihn, als er an Lynnes Bett stehen blieb und mit seinen gewaltigen Pranken ihre Schläfen berührte. Er trug keine anderen Instrumente bei sich, benötigte anscheinend nur die in seinen Fingerspitzen.
»Und wie geht es Ihnen, General?«, fragte Takeo nach einem Moment.
Das Spiel kann beginnen, dachte Crow und trat neben ihn. Seine Hand strich mit einer kalkulierten Bewegung über den künstlichen Arm seiner Tochter.
»Ich denke viel über Schuld und Verantwortung nach«, sagte er. »Sie wissen ja, dass ein mutiertes Krokodil diese Wunden verursacht hat, aber ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass das Tier keine Schuld trifft.«
Takeos Augenimplantate sahen ihn reglos an. »Tatsächlich?«
Crow hielt dem Blick stand. »Ja«, fuhr er fort. »Ein Krokodil wird von seinen Instinkten gelenkt. Es kennt keinen Unterschied zwischen gut oder böse, Recht oder Unrecht. Die Männer, die meine Tochter in diesen Tunnel gelockt hatten, wissen sehr wohl, dass es einen Unterschied gibt. Wären sie nicht gewesen, wäre Lynne heute noch gesund. Die Running Men sind Schuld, nicht das Krokodil.«
»Running Men?« Takeos Stimme klang neutral, aber Crow spürte, dass ihn die Geschichte interessierte. Bis jetzt hatte er es vermieden, genauere Auskünfte über die politische Situation in Washington zu geben, obwohl sein Gastgeber immer wieder danach gefragt hatte. Nun war die Zeit gekommen, ihm ein paar wohldosierte Informationen zu verabreichen.
Crow hob die Schultern und setzte sich auf die Bettkante. »So etwas wie die Running Men gibt es in jedem Staat - Außenseiter, die sich nicht damit abfinden können, dass die Grundlage jeder Gesellschaftsform Disziplin und Ordnung ist; Quertreiber ohne jedes Unrechtsbewusstsein, die ihr Versagen in der Gesellschaft durch abstruse Freiheitsgedanken kaschieren und Menschen töten, um ihren eigenen Machttrieb zu befriedigen. Dies sind die Männer, die für den Zustand meiner Tochter verantwortlich sind, und ich verspreche Ihnen, Mr. Takeo, dass ich sie finden werde, egal ob sie Mr. Black oder Matthew Drax heißen.«
Damit war der Köder im Wasser.
Crow blieb angespannt sitzen, unsicher, was als nächstes geschehen würde.
Takeo nahm die Hände von Lynnes Schläfen und trat zurück. »Ich kann keine Schädigung ihres Gehirns feststellen«, sagte er. »Es fällt ihr wohl nur schwerer als erwartet, mit ihren neuen Körperteilen umzugehen. Das wird sich legen.« Er drehte sich um.
»Leider kann ich unsere Unterhaltung nicht fortsetzen, General. Ich muss mich um andere Angelegenheiten kümmern.«
Crow nickte mit aufgesetztem Verständnis. »Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.«
Erst als Takeo den Raum verlassen hatte, erlaubte er sich ein Lächeln. Der Fisch hatte den Köder geschluckt.
***
»Das soll ein A sein? Es sieht nicht aus wie ein A.«
»Vertrau mir, es ist ein A.«
»Und was ist mit dem da? Könnte das nicht ein A sein?«
»Das ist ein C.«
»Bist du sicher?«
Matt seufzte und legte den Notizblock beiseite. »Das Alphabet hat sechsundzwanzig Buchstaben. Willst du wirklich über jeden einzelnen streiten?«
»Nein.« Aruula betrachtete die Zeichen nachdenklich. »Nur über die, die merkwürdig aussehen.« Sie zog die Bettdecke hoch und legte den Kopf an seine Schulter. »Lass uns morgen weiter Lesen lernen. Heute bin ich zu müde.«
»Okay«, sagte Matt mit einer gewissen Erleichterung. »Verschieben wir den Unterricht.« Er streckte sich neben Aruula auf dem Futon aus und betrachtete die von der untergehenden Sonne rötlich gefärbten Scheiben.
Seit der Diener ihn zum Haus zurückgebracht hatte - wo Aruula ihm glaubhaft versicherte, nicht nach ihm gefragt zu haben - kreisten seine Gedanken um Miki Takeo und die Siedlung. Auf der einen Seite schien man sehr um Diskretion bemüht, auf der anderen war ein Diener genau in dem Moment aufgetaucht, als er etwas Unerwünschtes getan hatte.
Das kann kein Zufall sein, dachte er. Der Diener muss gewusst haben, wo ich bin.
»Dies ist ein seltsamer Ort mit seltsamen Menschen«, sagte Aruula wie zur Bestätigung. »Vieles hier erinnert mich an das falsche Ethera.«
Matt nickte. Es gab tatsächlich Parallelen zu dem scheinbaren Paradies in den Ruinen von München, auch wenn man hier wesentlich einfacher zu leben schien.
»Hast du versucht zu lauschen?«
»Ja, aber ich spüre nur wenige Gedanken. Die meisten sind sorglos, manche sind jedoch verschwommen und voller
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