049 - Die Horror-Maschine
nicht
machen. Tschiuus Zustand ist unverändert.“
Im Beisein
von Dr. Yeng-san wurden die Probleme erörtert, die sich nach dem Anschlag auf
Tschiuu ergaben. Niemand verstand die Vorgänge so recht. Nur Liu Fan Thau
schien sich einen Reim darauf machen zu können. Er hatte Tschiuu täglich
besucht und sie unterhalten. Sie konnte ja jedes Wort verstehen. Was er die
ganze Zeit über gefühlt hatte, heute hatte es sich bestätigt: Tschiuu litt
nicht unter Halluzinationen und war auch nicht geistesgestört.
„ ... seit
sie die Begegnung im Garten hatte, war sie bedroht. Ich konnte dieses Gefühl
nie begründen, aber ich nahm mir vor, in ihrer Nähe zu sein. Instinktiv fühlte
ich, daß Tschiuu nur durch einen Zufall dem entgangen war, was Pao Lim zum
Schicksal wurde. Mir fiel das Herumschleichen des kahlköpft gen Mannes auf.
Warum legte er ausgerechnet einen solchen Wert darauf, immer in Tschiuus Nähe
zu sein? Das konnte Zufall sein, mußte aber nicht.
Niemand nahm
diesen Mann ernst. Ich aber ging von einer anderen Überlegung aus, konnte mich
jedoch niemand anvertrauen, weil ich befürchten mußte, ausgelacht zu werden. Immer
wenn Tschiuu Besuch von dem Fremden hatte oder wenn sie mit ihm einen
Spaziergang durch den Garten machte, hielt ich mich in ihrer Nähe auf. Ich
beobachtete den Kahlköpfigen auch, wenn er auf seinem Rad den Krankenbezirk
verließ. Leider habe ich die Verfolgung nie bis zu Ende führen können. Ich
konnte nicht mithalten, weil ich mich nicht sehen lassen wollte. So mußte ich
den Abstand dementsprechend einrichten. Ich folgte ihm meistens drei oder vier
Kilometer, dann verlor ich seine Spur.“
Liu Fan Thau
zuckte hilflos die Achseln. „Ich bin vielleicht ein guter Schütze, aber dafür
ein um so schlechterer Radfahrer. Ich weiß nur soviel: die Gegend, in die er
fuhr, liegt abseits der normalen Pfade. Er überquerte eine Wiese, verschwand in
mannshohem Unkraut und ließ sein Fahrrad zurück.
Ich sah ihn
manchmal nach einer, manchmal nach zwei Stunden wieder an die Stelle kommen, wo
er das Rad zurückgelassen hatte. Ich begreife nicht, wo er gewesen sein kann.
Wo er hinging gibt es keine menschliche Siedlung. Das Land dort ist verwildert,
der Boden ist schlecht, die Äcker liegen brach.“ Huan Lo stieß hörbar die Luft
durch die Nase, erhob sich und ging unruhig im Büro Dr. Yeng-sans auf und ab.
„Wenn ich den
Toten nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, wenn ich nicht wüßte, daß Sie, Fan
Thau, ihn niederschossen. weil Sie Augenzeuge des Anschlags wurden - ich würde
und könnte es nicht glauben!“ Er preßte die Hände vor das Gesicht. „Warum?“
fragte er leise. „Warum ausgerechnet Tschiuu? Ich verstehe das nicht. Wer kann
ein Interesse daran haben?“ Hilflos sah er sich um.
Dr. Yeng-san
nickte. „Wir verstehen es alle nicht. Es ist gut, daß Tschiuu von hier weggeht,
Herr Lo. Bei Professor Mao Hshin ist sie in besten Händen.“
Auch Liu Fan
Thau nickte, und sah Huan Lo lange an. „Sie muß weg hier, Herr Lo! Sie ist in
tödlicher Gefahr. Das, was sich vor etwa einer Stunde ereignete, kann sich zu
jeder Zeit wiederholen.“
Huan Lo
erwiderte den Blick des jungen Chinesen. „Sie machen sich Sorgen um Tschiuu.
Sie mögen meine Tochter wohl sehr?“
„Ich liebe
sie, Herr Lo. Auch wenn diese Liebe für immer unerfüllt bleibt. Ich fürchte,
Tschiuus Herz gehört einem ändern.“
●
In allen
Einzelheiten wurde von den beiden Polizisten das Protokoll aufgenommen.
Lückenlos gab Liu Fan Thau seine Beobachtungen bekannt, und sein Eingreifen
hatte zweifellos das Leben Tschiuu Los gerettet.
●
Sie war die
ganze Zeit über schon wach.
Tschiuu Lo
erinnerte sich des Vorfalls genau. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Warum
hatte Niu sie angefallen? War er völlig durchgedreht? Sie war unfähig, einen
klaren Gedanken zu fassen, die Dinge kullerten durcheinander. Zuviel war in den
letzten Tagen auf sie eingestürmt.
Ihr war, als
hätte sie aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung am Fenster wahrgenommen.
Ein unbewußtes, schmerzliches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Wie oft war
der kahlköpfige Niu den Weg über die Terrasse gekommen, um sie zu besuchen.
Stolz hatte er sich Niu II genannt, eine Bezeichnung, die sie nie ganz
verstanden hatte. Er hatte immer gelächelt und war wie ein großes Kind gewesen.
Befremdend
deshalb der Gedanke, daß ausgerechnet der kahlköpfige Niu ihr nach dem Leben
trachtete.
Nie würde sie
sein glattes Gesicht
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