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0491 - Der Blutjäger

0491 - Der Blutjäger

Titel: 0491 - Der Blutjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Wiesen, Scheunen und kleinen Bauernhäusern. Wer auf dem Feld arbeitete, sah den Wagen zwar, erkannte aber nicht, wer ihn lenkte. So gelang es Eva Leitner, ungesehen ihr Heimatdorf zu erreichen. Ein wehmütiges Lächeln durchzuckte ihr Gesicht, als sie in die schmalen Straßen hineinfuhr und auch die alte Schule sah, die sie als Kind besucht hatte. Auch jetzt tobten die Kinder auf dem Schulhof. Sie hatten Pause und erholten sich vom Unterricht. Sogar ihren alten Lehrer sah sie noch. Wie immer stand er auf der Mitte des Schulhofes, beobachtete die Kinder und aß sein Butterbrot. Nur sein Haar war schlohweiß geworden. Sie hätte gern angehalten und ihm einen guten Tag gewünscht, aber sie wollte nicht von ihrem Plan abweichen.
    Vielleicht später.
    An einer Kreuzung hielt sie an. Die war noch immer so unübersichtlich. Zwei Frauen kamen ihr auf dem rechten Gehsteig entgegen. Sie trugen Einkaufstaschen, warfen einen Blick in den Wagen, und Eva konnte schnell anfahren. Sie wollte nicht, daß man sie erkannte. Schließlich hatte sie im Ort als das schwarze Schaf gegolten. Ihr Lebenswandel hatte nicht so recht gepaßt, und einige waren froh gewesen, als sie das Dorf verließ. Man durfte eben nicht zu hübsch sein und Männern den Kopf verdrehen, wenn man zudem noch als Frau allein ins Wirtshaus ging.
    Eine Ampel gab es inzwischen auch. Sie zeigte Grün, und Eva fuhr den Bogen um den Dorfbrunnen, auf den die Bewohner so stolz waren.
    Die Straße zum Friedhof war noch immer mit Kopfsteinen gepflastert. Rechts lag das kleine Rathaus, ein nettes Häuschen, in dem alles mit schwäbischer Gemütlichkeit zuging.
    Soeben verließ der Bürgermeister das Haus und wandte sich nach rechts dem Gasthaus zu. In der Ratsschänke war jeden Mittag für ihn ein Tisch reserviert. Dort aß er dann mit den Honoratioren des Ortes und trank ein oder zwei Viertele.
    So war es, so würde es immer bleiben…
    Eva rollte an der Kirche vorbei. Wie immer war der Platz vor dem Gotteshaus blitzsauber. Da lag kein Blatt und kein Ast. Der helle Kies glänzte.
    Die alte Friedhofsmauer war aus dicken Steinen errichtet worden. Sie würde auch in 500 Jahren noch stehen. Ranken wuchsen am Gestein hoch. Sie klammerten sich in den Spalten und Ritzen fest und wuchsen hoch bis zur Mauerkante.
    Eva wußte, wo die Leichenhalle lag, am Ende des Friedhofs, wo auch die Mauer aufhörte und sich das Tor befand, das früher nie abgeschlossen war.
    Auch heute noch. Beide Hälften standen offen, und Eva lenkte ihren Polo auf den kleinen Vorplatz.
    Die Leichenhalle hatte ein neues Dach bekommen, ansonsten sah sie aus wie immer. Gebaut aus rötlichen Steinen, deren Fugen in einem dunklen Grau schimmerten.
    Abgeschlossen würde die Leichenhalle nicht sein. Wie früher. Eva schritt auf die Tür zu und spürte den Klumpen, der in ihrem Magen lag.
    Je näher sie ihrem Ziel kam, um so dicker wurde er. »Verdammt«, flüsterte sie, »du hast dir doch vorgenommen, nicht zu heulen, und jetzt kommt es über dich.« Weil sie ein Brennen verspürte, wischte sie sich über die Augen.
    Bevor sie die Türklinke nach unten drückte, schaute sie sich noch einmal um.
    Nein, es war niemand da, der sie beobachtete. Soeben kam die Maisonne durch. Sie schickte ihre warmen Strahlen auf die Erde.
    Entschlossen betrat Eva Leitner die Leichenhalle. Sofort fiel ihr der Geruch auf, den sie auch noch von früher her kannte. Es stank nach Bohnerwachs, nach alten und auch frischen Blumen, nach Kränzen und nach Tod.
    Sie mochte es nicht, aber sie konnte jetzt auch keinen Rückzieher mehr machen.
    Niemand hatte sie gehört. Jedenfalls zeigte sich keiner. Dabei wußte sie, daß Franz, der Totengräber und Leichenwäscher, sich eigentlich immer hier aufhielt. Er wohnte auch in einem kleinen Anbau und fühlte sich bei den Toten wohl.
    Er war damals schon ziemlich alt gewesen, vielleicht lebte er auch nicht mehr.
    Eva Leitner lauschte dem Echo ihrer Schritte nach, als sie durch den Gang schritt. Rechts von ihr stand ein braunes Holzpult. Ausgebreitet lag auf ihm ein große Blatt Büttenpapier, auf dem die Kondolierenden ihre Namen eintragen konnten.
    Eva blieb stehen. Das Blatt war dicht beschrieben worden. Viele Bewohner des Ortes hatten sich eingetragen. Als Eva den in einer kleinen Rille liegenden Kugelschreiber nahm, zitterte ihre Hand.
    Das änderte sich auch beim Schreiben nicht.
    Reiß dich doch zusammen! fuhr sie sich selbst an und warf ihre Haare zurück.
    Mit schleppenden Schritten ging sie weiter.

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