0491 - Die Wolfshexe
sein und hatte sich längere Zeit überhaupt nicht mehr bemerkbar gemacht. [5] Aber dann war das auf geheimnisvolle Weise entstandene Schein-Leben ganz langsam wieder in die Zauberscheibe zurückgekehrt.
»Trotzdem könnte an der Sache etwas dran sein«, sagte Zamorra. »Wie wäre es mit einem Werwolf?«
Nicole seufzte. »Sicher. Nichts ist unmöglich. Es wäre sogar die wahrscheinlichere Lösung, und dann wären gerade wir hier goldrichtig, nicht wahr?«
»Worauf warten wir dann noch? Bis Landéda sind es höchstens noch fünf Kilometer.«
»Und wenn wir da kein Quartier kriegen?«
»Fahren wir eben wieder zurück. Aber warum sollte man uns kein Zimmer geben? Was mich nur ein wenig wundert, ist, daß es ausgerechnet, jetzt, wo wir auftauchen, zu diesem rätselhaften Todesfall kommt. Es ist, als würden wir die Schwarze Magie regelrecht anziehen wie ein Magnet.«
»Wenn es denn Schwarze Magie ist.« Nicole drückte auf den Startknopf, und der riesige 8,2-Liter-Motor setzte seine acht Zylinder in kraftvoll-geräuscharme Tätigkeit.
Bis Landéda war es wirklich nur noch ein Katzensprung.
***
In der Gastwirtschaft verstummten alle Gespräche, als die beiden Fremden eintraten; der hochgewachsene, dunkelblonde Mann in rotem Hemd und weißem Anzug, der durchaus im nächsten James-Bond-Film die Hauptrolle hätte übernehmen können, und die schlanke, attraktive Frau mit dem langen dunklen Haar in engen Jeans und einem Pullover, auf dessen Vorderseite ein breiter Querbalken gestickt war, über den sich ein ebenfalls kunstvoll gesticktes »aufrechtgehendes« Krokodil mit überkreuzten »Armen« aufstützte, und den Betrachter mit einer Blume im Maul freundlich angrinste. Der Mann im weißen Anzug marschierte gleich bis zur Theke durch und stellte seine hübsche Begleiterin und sich vor. »Wir brauchen Quartier«, fügte er hinzu. »Möglichst ein Doppelzimmer.«
»Und ich bin Hervé«, bemerkte der Wirt. »Bei mir sind Sie goldrichtig. Aber Sie werden sich mit zwei Einzelzimmern begnügen müssen.«
»Weil wir nicht miteinander verheiratet sind?« fragte Nicole, die nicht ahnte, daß ihr Auftreten in diesem Lokal eine kleine Sensation darstellte, weil Landédas Frauen keine Kneipengängerinnen zu sein hatten.
Hervé nickte trocken.
»Und weil Sie an zwei Einzelzimmern sicher mehr verdienen als an einem Doppelzimmer«, fügte Zamorra schmunzelnd hinzu, griff in die Hosentasche und blätterte ein paar große Scheine auf den Tresen, die allemal ausreichten, die beiden Zimmer für eine ganze Woche im Voraus anzumieten.
Abermals nickte Hervé trocken.
»Also zwei Zimmer«, sagte Zamorra. »Für wie lange, kann ich allerdings noch nicht sagen. Ich denke, das Geld reicht als Anzahlung.«
»Sicher«, sagte Hervé. »Dafür haben Sie und Ihre Freundin heute abend auch die Getränke frei. Meine Frau wird sogar Ihr Gepäck tragen.«
»Die Ärmste«, seufzte Zamorra. »Unser Wagen hat einen enorm großen Kofferraum, und der ist voll mit Mademoiselle Duvals Gepäck.«
»Na, so schlimm wird es ja wohl nicht werden«, brummte Hervé in Unkenntnis der Situation und schielte unauffällig-mißtrauisch immer wieder mal zu dem Krokodilmotiv auf Nicoles Pullover. Nicole stellte fest, daß der Wirt dann jedesmal leicht die Stirn runzelte.
Allmählich setzten die Gespräche der anderen Gäste wieder ein. Hervé verschwand für eine halbe Minute. »Meine Frau holt Ihr Gepäck aus dem Wagen«, sagte er dann. »Es gibt einen Seiteneingang.«
Zamorra nahm von Nicole den Wagenschlüssel entgegen und ging nach draußen; derweil entdeckte Nicole im Regal hinter der Theke einen Fruchtwein, der ihr recht sympathisch erschien. Sie orderte ein Probierglas davon und verdrehte dann genießerisch die Augen, als sie den ersten Schluck verkostet hatte. »Das ist ja ein prachtvolles Teufelszeug, Monsieur Hervé«, stellte sie fest. »Halten Sie das bloß von mir fern. Kann ich noch ein Glas bekommen, diesmal aber nicht nur zum Probieren?«
Natürlich konnte sie. Derweil ertönte draußen ein verwunderter Ausruf aus weiblicher Kehle. Hervé runzelte die Stirn und stürmte zur Tür, um einen Blick nach draußen zu werfen. Danach wunderte er sich nicht mehr, weshalb seine Göttergattin so überrascht war. »Was ist das - ein Raumschiff?«
»Ein Auto«, erklärte Nicole. »Und zwar ein richtiges. Nicht eines von diesen kleinen, häßlichen Spielzeugen, wie sie heute gebaut und den Leuten für viel zuviel Geld aufgeschwatzt werden. Ein richtiges
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