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0491 - Die Wolfshexe

0491 - Die Wolfshexe

Titel: 0491 - Die Wolfshexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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    Er zwang sich, ganze zwei Stunden durchzuhalten, ehe die Müdigkeit ihn dann doch wieder übermannte. Aber in diesen zwei Stunden konnte er das Wolfsrudel draußen, unter dem bleichen Beinahe-Vollmond, nicht hören.
    ***
    Die Autobahnen und Schnellstraßen waren weitgehend frei; normalerweise waren es hauptsächlich ausländische Touristen und Geschäftsleute in Zeitnot, die die Mautgebühr für die französischen Autobahnen zu bezahlen gewillt waren; und jetzt, im beginnenden Winter, fehlten zumindest die Touristen. Die zog es erst um die Weihnachtszeit wieder aus ihren übervölkerten Städten in die übervölkerten Tourismus-Zentren - dann aber natürlich in die Alpenregionen. Zu Hause gab’s ja zu wenig Schnee, um sich beim Skifahren genüßlich die Beine brechen zu können und zwölf von vierzehn Urlaubstagen in Gips erleben zu dürfen. Daß beim ausufernden Skitourismus auch noch die Landschaftszerstörung fröhliche Urstände feierte, interessierte die begeisterten Saisonsportler natürlich nur in den allerseltensten Fällen - nämlich, wenn im folgenden Sommer Zeitungen und Fernsehen von den neuesten Erdrutschen in den Alpenländern berichteten.
    Für die rund tausend Kilometer bis Brest brauchten Zamorra und Nicole tatsächlich nur geringfügig länger als neun Stunden; sich immer wieder beim Fahren abwechselnd, kamen sie zügig durch und erlagen nicht einmal der Versuchung, die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu überschreiten, um Zeit zu gewinnen, obgleich das theoretisch möglich gewesen wäre. Aber es lohnte sich auch nicht; oberhalb einer bestimmten Geschwindigkeit begann der Cadillac das Benzin zu saufen, wie ein Elefant Wasser. Das Verdeck des mit den größten Heckflossen aller Zeiten gesegneten Eldorado-Cabrios, Baujahr ’59, war mittlerweile wieder geflickt worden und ließ keinen Tropfen Regenwasser mehr durch, und der riesige Wagen lag in seiner Federung wie ein Brett auf der Straße und bot Platz genug, per Liegesitz tief und fest zu schlafen, während der Partner am Lenkrad saß. Beide, Zamorra wie Nicole, besaßen Übung darin, auch zu für sie völlig ungewohnten Zeiten schlafen zu können, wenn es denn dringend sein mußte und wie es sich in diesem Fall empfahl.
    Von Ted Ewigk sahen und hörten sie schon bald nichts mehr; der zog mit Zamorras neuer BMW-Limousine wesentlich sportlicher los und gewann rasch uneinholbaren Abstand. »Hoffentlich kassiert er nicht jede Menge Strafzettel, die hinterher ich auslösen muß, weil es nun mal mein Wagen ist«, brummte Zamorra.
    Kurz vor Brest, bei Landivisiau, hätten sich ihre Wege ohnehin getrennt. Hier bog Nicole von der autobahnähnlich ausgebauten Schnellstraße ab; über St. Méen, Le Folgoet, Kernilis und Lannilis ging es nach Landéda weiter; wesentlich langsamer als zuvor, weil hier die Straßen nicht mehr so gut waren. Zamorra betrachtete die Straßenkarte und die angegebenen Ortsnamen. »Lesneven, Kernoués, Kernilis, Lannilis, Coat-Méal, Landéda, l’Aber-Wrac’h - das klingt alles schon fast so, als befänden wir uns in Wales und nicht in der Bretagne!« - »Beide Landstriche sind ja schließlich auch von keltischen Stämmen besiedelt worden und gehören daher auch zur keltischen Sprachfamilie«, erinnerte Nicole.
    »Sicher, nur versteht der Waliser den Bretonen trotzdem nicht, und dazwischen liegt auch noch Cornwall, wo wiederum ein anderes Idiom gesprochen wird - aber vielleicht haben damals gerade hier an dieser Stelle der bretonischen Küste Waliser gesiedelt, die lieber vor den englischen Eroberern flohen als sich erschlagen zu lassen. Die Silben Ker- und Lan- klingen jedenfalls vertrackt nach dem wälischen Caer- und Llan-, und dieses l’Aber-dingsbums erinnert mich an das schottische Aberdeen, andere Aber-’s, und sogar ein wenig an das englische Avesbury und ähnliche Zusammensetzungen .«
    »Willst du jetzt Sprachwissenschaftler werden, oder was?« erkundigte Nicole sich trocken.
    Zamorra schüttelte den Kopf. »Nicht, wenn es sich umgehen läßt, aber diese Ähnlichkeiten sind einfach zu auffällig.« Es war nur natürlich, daß sie zumindest ihm und in Maßen auch Nicole auffielen; beiden war ein geradezu unwahrscheinliches Sprachtalent angeboren. Zamorra kam auf seinen Reisen um die Welt in den meisten fremden Ländern schnell zurecht; er brauchte bloß ein paar Sprachbrocken zu hören, ihren Sinn zu erfassen, und leitete daraus soviel an Vokabeln ab, daß er sich zumindest einigermaßen verständlich machen

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