0491 - Ein Toter läuft um sein Leben
der Schwarzmaskierte.
»Vielleicht hier?«
»Sieh mal nach. Unser Freund, der Knastbruder, wird dich nicht daran hindern!«
»Vielleicht kann ich euch helfen?« fragte ich.
Ich erhielt keine Antwort. Der Grünmaskierte öffnete den Kleiderschrank und die Kommodenkästen. Er riß sogar die Matratze aus dem Bett, um zu sehen, was darunter lag. Er warf auch einen Blick in meine Brieftasche. Er betrachtete kurz den Entlassungsschein und zählte das Geld, nahm aber nichts davon heraus.
»Was, zum Teufel, soll das Theater bedeuten?« wollte ich wissen, aber auch diesmal bekam ich keine Antwort. Der Mann mit der grünen Maske setzte seine Suchaktion fort, während mich sein Komplice mit der Pistole in Schach hielt.
Dann kam der Grünmaskierte auf mich zu. Er baute sich breitbeinig vor mir auf, vergaß jedoch nicht, das Schußfeld für den Pistolenhelden freizuhalten. »Wo ist es?« fragte er mich.
»Wo ist was?«
»Laß mich das machen!« meinte der Mann mit der Pistole. Er durchquerte das Zimmer und rammte mir mit einiger Wucht die Waffenmündung in die Magengrube. »Jetzt packe mal schön aus, Buster!« preßte er durch die Zähne. »Uns kannst du nichts vorflunkern! Du bist erst heute hier eingezogen, obwohl du früher nicht in dieser Gegend gewohnt hast. Da steckt doch etwas dahinter! Weshalb hast du die Bude gemietet? Wegen der schönen Aussicht etwa? Oder wegen der kitschigen Fünfzig-Cent-Teller auf der wurmstichigen Kommode? Du weißt, daß dir das keiner abkauft! Du' hast mit dem Kerl gemeinsame Sache gemacht, stimmt’s?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden!« sagte ich wahrheitsgemäß.
»Wenn wir entdecken sollten, daß du uns etwas vorgesponnen hast, findest du dich postwendend im Jenseits wieder, klar?« grollte der Bursche mit der Pistole.
»Kommt jetzt!« ertönte eine ungeduldige männliche Stimme aus der Diele.
Die beiden Maskierten zogen sich bis zur Tür zurück. »Telefon gibt’s nicht in der Wohnung«, sagte der Mann mit der Pistole. »Versuche nicht, uns zu folgen! Das würde dir schlecht bekommen. Kümmere dich lieber um die Puppe. Ich glaube, die hat’s dringend nötig!«
Sie gingen hinaus. Die Tür fiel ins Schloß. Ich schlüpfte rasch in die Hose und spurtete in die Diele. Alle Zimmertüren standen weit offen, und in allen Räumen brannte Licht. Ich betrat den nächstbesten Raum. Es war die Küche. Auf dem Sofa lag zerwühltes Bettzeug. Die am Kopfende des Sofas stehende Reisetasche von' Tom Blight war durchwühlt worden. Der Inhalt lag auf dem Boden verstreut.
Ich ging in das angrenzende Zimmer. Lucille lag vor dem Bett auf einer Bastmatte, bewußtlos. Sie trug einen rot-grün gestreiften Herrenpyjama und ein Haarnetz. Ich ließ mich neben das Mädchen auf die Knie fallen. Eine Verletzung konnte ich nicht entdecken. Möglicherweise rührte die Ohnmacht von einem Schläfenschlag her.
Ich erhob mich und ging ins Bad, um einen mit Wasser getränkten Waschlappen und ein Fläschchen mit Kölnisch Wasser zu holen. Als ich damit das Schlafzimmer betrat, hob Lucille Raggard die Lider. Sie starrte mich an, fassungslos. Ihre Augen füllten sich nur langsam mit Leben. Die Erinnerung setzte ein. Plötzlich richtete sie den Oberkörper auf. »Wo ist Tom?« stieß sie hervor.
Ich half ihr auf die Beine. »Sind Sie verletzt?«
Lucille nahm auf dem Bettrand Platz. Sie zitterte. »Wo ist Tom?« wiederholte sie.
»Hat er hier übernachtet?«
»In der Küche«, nickte Lucille. Sie zitterte stark. »Die Gangster haben ihn mitgenommen!«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin völlig durcheinander! Es war ganz schrecklich!« Sie schlug die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen. Ich sah einen Morgenmantel am Schrank hängen und nahm ihn vom Bügel. Behutsam legte ich ihn um Lucille Raggards Schultern. »Sie müssen sich beruhigen«, tröstete ich sie. »Was haben die Burschen gesucht?«
Lucille ließ die Hände in den Schoß fallen. Sie sah sehr blaß aus. »Wenn ich das bloß wüßte!« murmelte sie. »Wir sind keine reichen Leute. Tom ist gogar arm. Das ist der Grund, weshalb wir noch nicht geheiratet haben. Bei einem armen Mann ist doch nichts zu holen! Warum haben sie ihn entführt?«
»Wo ist Ihre Mutter?« fragte ich.
»Die schläft heute bei ihrer Schwester, drüben in Queens. Tante Agathe ist krank.«
»Stehen Sie auf und kochen Sie uns einen Kaffee«, sagte ich, um sie etwas abzulenken. »Der wird uns gut tun.« Lucille erhob sich. Sie schlüpfte in den Mantel und
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