0492 - Der Zug aus der Hölle
sie wissen. »Was ist das für ein rotes Leuchten draußen?«
Saris zuckte mit den Schultern. »Ich fürchte, daß ich nicht sehr viel mehr weiß als Sie, Miß McKinsey. Vielleicht sollten wir einmal sehen, wo wir uns befinden, sobald der Zug hält. Und das kann ja nicht mehr allzulange dauern.«
In der Tat war der Zug bereits merklich langsamer geworden. Saris trat zur nächst gelegenen Außentür. Er mußte erst einmal den Mechanismus studieren, dann aber griff er zu. Die Tür ließ sich nicht öffnen.
»Sie müssen warten, bis der Zug zum Stillstand gekommen ist«, sagte Tess McKinsey. Saris lächelte. »Ich fahre recht selten mit dem Zug«, gestand er. »Deshalb bin ich mit diesen technischen Kleinigkeiten nicht sonderlich vertraut.«
»Um so mehr aber wohl damit, andere Menschen niederzuschlagen«, ertönte Rosalynn Brightmanns Stimme hinter ihm vorwurfsvoll. »Ich verlange eine Erklärung. Und ich habe doch einen Schuß gehört! Mister Saris, ich verlange zu wissen, was hier geschieht.«
»Der Gentleman, der nicht einmal einen Ausweis bei sich führt, interessierte sich für den Inhalt meines Koffers. Ich habe ihn davon überzeugt, daß es besser ist, sich ein wenig auszuruhen, als seiner recht ungebührlichen und unangebrachten Neugierde tatkräftigen Ausdruck zu verleihen. Mit einem Satz: ich habe einen Dieb betäubt.«
»Aber es hat doch jemand geschossen«, beharrte die ältere Dame.
»Das ist möglich«, erwiderte Saris. Im gleichen Moment stoppte der Zug mit einem endgültigen Ruck. Rosalynn Brightmann konnte sich festhalten. Tess McKinsey wurde förmlich in Saris’ Arme katapultiert. Er hielt sie fest, ließ sie denn wieder los, als der Zug stand. »Verzeihen Sie, Miß«, bat er.
»Ich wollte Ihnen durch meine Berührung nicht zu nahe treten.«
»Schon gut«, sagte sie. »Ich danke Ihnen, Sir. Jetzt können Sie die Tür übrigens öffnen.«
Er konnte nicht. Der Mechanismus blockierte noch immer. »Das gibt’s doch nicht«, entfuhr es jetzt der älteren Dame. Resolut schob sie Tess und Bryont beiseite und riß und zerrte an dem Öffner.
Tess griff nach einem anderen, versteckten Schalter. Aber auch darauf reagierte die Tür nicht. »Das war der Not-Auslöser«, erklärte das blaßhäutige Mädchen nach Saris’ fragendem Blick. »Vielleicht ist es auch besser, wenn wir im Zug bleiben. Wer weiß, was da draußen auf uns wartet.«
Der Lord berührte die Tür. Er konzentrierte sich auf seine inneren Kräfte. Er konnte nicht viel feststellen. Seine Magie war auf andere Dinge ausgerichtet. Immerhin fühlte er das Düstere, das von der Türverriegelung ausging. Er bezweifelte, daß er sie mit Magieeinsatz öffnen konnte. Aber er hatte ja die Silberkugeln.
Silber und Dunkelmagie waren schon immer absolut gegensätzliche Dinge gewesen. Vielleicht konnte das Silber etwas bewirken. Notgedrungen holte er die CZ 75 wieder aus der Tasche. Mrs. Brightmann wich erschrocken vor ihm zurück. »Also doch!« entfuhr es ihr. »Sie haben geschossen!«
Er entnahm dem Magazin eine der Patronen und steckte die Waffe wieder ein. Dann berührte er mit der Silberkugel den Türmechanismus.
Etwas knisterte. Endlich reagierte die Hydraulik. Die Tür wurde aufgehebelt. Eine Hitzewelle drang ins Innere des Wagens und ließ die beiden Frauen noch weiter zurückweichen. Saris atmete tief durch. Er war jetzt sicher, in die Höllengefilde entführt worden zu sein. Anscheinend lauerte im Augenblick keine unmittelbare Gefahr, und es sah auch nicht so aus, als sollten er oder die anderen sofort getötet werden. Denn das hätten die Dunkelmächte einfacher haben können.
Sàris fragte sich, ob dies ein Vorteil war. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn man sie sofort getötet hätte. Vielleicht warteten unvorstellbare Schrecken auf die Entführten.
»Wo sind wir?« fragte die Blasse.
»Zumindest nicht dort, wo wir eigentlich sein sollten«, erwiderte der Lord und schloß die Tür wieder. »Wir wollen doch mal sehen, ob wir nicht irgendwie auf das richtige Gleis zurückkehren können, von dem wir umgeleitet worden sind.«
»Wie meinen Sie das?« wollte Rosalynn Brightmann wissen. »Sie wissen doch mehr, als Sie uns verraten wollen! Warum sagen Sie uns nicht die Wahrheit?«
Der Lord verengte die Augen und sah Mrs. Brightmann und dann Tess McKinsey nachdenklich-prüfend an. »Vielleicht ist es ja genau umgekehrt«, gab er zu bedenken. »Vielleicht sind Sie es, die mehr wissen als ich, und nur so tun, als wären Sie
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