0492 - Die Wölfin von Rom
alle recht nett, aber man muß schon hier wohnen und lange gelebt haben, um sie begreifen zu können.«
»Das ist uns klar.«
»Wo ihr den Markt findet, wißt ihr?«
»Natürlich.«
Vor der Tür trafen uns die warmen Sonnenstrahlen, die schräg in die schmale Straße fielen. Es tat gut, die Wärme auf den Gesichtern zu spüren.
»Was hast du für ein Gefühl?« fragte Suko.
Ich hob die Schultern. »Jedenfalls kein gutes.«
»Ich auch nicht.«
»Wie sieht es bei Bill und Sheila aus?«
Suko lächelte schief. »Soll ich dir darauf noch eine Antwort geben, John?«
»Nein, jetzt nicht mehr…«
***
Wohl jeder Gast, der im »Hassler« wohnte, genoß dieses Hotel. Nur zwei Menschen nicht.
Sheila und Bill Conolly!
Die beiden sahen aus wie zwei lebende Leichen, so blaß und bleich hockten sie im Frühstücksraum, starrten in die Kaffeetassen und waren nicht in der Lage, auch nur einen Bissen der angebotenen Köstlichkeiten zu sich zu nehmen.
»Nimm du doch etwas«, sagte Sheila. Sie strich mit einer müden Bewegung durch ihr Haar.
Bill schüttelte den Kopf.
»Und wenn es hart auf hart geht, bist du zu schwach«, erklärte sie. »Ich hoffe nur, daß John etwas herausgefunden hat.«
»Er ist einfach zu kurz hier in Rom«, widersprach Bill. »Da kann sich noch nichts getan haben.«
Sheila nippte am Orangensaft. Sie drehte den Kopf, schaute durch das große Fenster und hätte den herrlichen Blick eigentlich genießen müssen, aber sie starrte nur ins Leere.
»Ob der Junge noch lebt?« flüsterte sie und schaute vorbeifliegenden Tauben hinterher.
»Natürlich.«
»Der oder die Entführer hätten sich wenigstens melden können«, flüsterte sie. »Ein Kidnapper stellt doch Forderungen, aber wir haben nichts, gar nichts erfahren.«
»Es kann noch kommen.«
»Hoffentlich. Und dann frage ich mich, was sie von uns wollen. Sie werden uns doch durch Johnny unter Druck setzen wollen. Er ist ihr Trumpf, sie wissen genau, wie sensibel wir als Eltern reagieren, wenn…«
Bill legte seine Hand auf Sheilas. »Keine Aufregung, bitte«, sagte er. »Es wird schon alles wieder gut.«
Sheila nickte. »Bis jetzt haben wir es immer geschafft, Bill. Aber jede Glückssträhne hat einmal ein Ende.« Sie schüttelte den Kopf und sah aus, als wollte sie anfangen zu weinen. »Ich werde den Eindruck nicht los, daß mit dem Jungen ein furchtbares Spiel getrieben wird. Sie benutzen ihn, um ihre Pläne durchzuführen.«
»Und welche?«
»Wenn ich das wüßte.« Sheila spielte mit einer Kaffeetasse. Sie bestand aus feinstem Porzellan. »Wölfe«, murmelte sie. »Wer kann dahinterstecken? Lupina nicht, die ist vernichtet. Hat sich möglicherweise eine neue Allianz gebildet?«
»Ich möchte es nicht von der Hand weisen. Wie hieß es noch? Bevor die Menschen waren, da waren schon die Wölfe. Sie sind nicht totzukriegen. Vielleicht träumen sie davon, eines Tages die Herrschaft über unseren Planeten anzustreben.«
Sheila dachte wieder an ihren Sohn. »Johnny«, flüsterte sie.
»Mein Gott, der Junge ist ein Kind. Er kann sich nicht wehren, er…«
»Vielleicht findet Nadine ihn.«
»Die ist bei John.«
»Und er ist unterwegs.«
»Ja, Bill. Wir sitzen hier herum und wollen frühstücken, als wäre nichts geschehen.«
Der Reporter hatte den Vorwurf in Sheilas Worten nicht überhört. Er lehnte sich zurück. »Was können wir tun, Mädchen? Hast du eine Idee? Gibt es irgendeinen Punkt, wo wir ansetzen können? Wahrscheinlich nicht. Wenn ich nur den Hauch einer Chance erkennen würde, hätte ich eingegriffen. So sind uns die Hände gebunden.«
»Wie auch Suko«, antwortete Sheila. Sie hob mit einer ruckartigen Bewegung den Kopf. »Himmel, wo bleibt er eigentlich? Der wollte doch hier erscheinen.«
»Vielleicht läßt er das Frühstück ausfallen.«
»Das glaube ich nicht. Wir hatten uns hier verabredet.« Ihr Blick wurde starr. »Da ist doch wohl nichts passiert?«
»Weiß nicht. Soll ich nachsehen?« Bill war bereits im Begriff, sich zu erheben.
»Nein, bleib mal«, sagte Sheila und deutete an ihm vorbei. Ein befrackter Ober eilte herbei. Er trug ein Silbertablett, auf dem eine Nachricht für die Conollys lag.
»Entschuldigen Sie bitte, aber das soll ich Ihnen von einem Gast in seinem Namen überreichen.«
Bill nahm den Umschlag, bedankte sich, setzte sich wieder hin und schlitzte den Brief auf. Es war eine Karte aus Büttenpapier, die herausfiel.
»Sukos Schrift«, sagte der Reporter.
»Bitte, lies vor.«
Bill nickte. Er
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