0492 - Die Wölfin von Rom
erklärten mir, daß Sie etwas mit den Wölfen zu tun haben. Sie sind sogar mit einem gekommen!«
Ich lachte und blickte ihn erstaunt an. »Ich soll einen Wolf bei mir haben? Aber das ist Unsinn. Sehen Sie sich um, Signor Gibli. Sehen Sie hier einen Wolf?«
»Nein, aber es waren zwei. Der eine ist tot, der andere ist mit Ihnen gelaufen. So wurde es mir gesagt.«
»Das ist gut möglich. Ja, es stimmt sogar. Er ist aber dann verschwunden.« Ich wußte selbst, daß meine Antwort auf tönernen Füßen stand, doch der Carabiniere schien sie zu akzeptieren. Jedenfalls hakte er nicht mehr nach.
»Kaffee?« fragte Marcella.
»Ja, gern.«
Sie schenkte ein und erkundigte sich nach Julietta. »Wie geht es ihr? Hat sie sich wieder erholt?«
»Ich hoffe, daß die Wunde heilt.«
Marcella gab mir eine Erklärung. »Julietta ist angegriffen worden«, sagte sie. »Der Wolf war plötzlich da und biß sie.«
»Wann?«
»Vor einigen Tagen – oder?«
Gibli nickte. Dann flüsterte er: »Und jetzt zeigen sich diese Bestien schon am Tage. Das wird immer schlimmer. Ich glaube, sie bereiten einen Angriff vor…«
»Wieso?« fragte ich.
Gibli stellte die Kaffeetasse zur Seite. »Die Wölfe sind aus den Bergen gekommen. Den Grund kennt niemand. Wir können nur raten. Irgend etwas zieht sie in die Stadt…«
»Gibt es denn überhaupt Wölfe in den Bergen?«
»Eine gute Frage, Signor.« Der Carabiniere nickte sich zu.
»Eigentlich nicht. Früher ja. Sie sind längst ausgestorben oder ausgerottet. Das haben wir bisher jedenfalls geglaubt. Daß sie trotzdem zurückgekehrt sind, ist unbegreiflich. Wahrscheinlich haben sie sich irgendwo versteckt gehalten. Ja!« Er bestätigte sich selbst. »So muß es einfach gewesen sein.« Dann leerte er seine Tasse. »Sie jedenfalls haben nichts mehr von dem zweiten Wolf gesehen?«
»Nein!« log ich.
»Ich werde die Augen offenhalten und meine Kollegen auch. Wir müssen dieses Rätsel einfach lösen, bevor noch schlimmere Dinge geschehen.«
»Gott steh Ihnen bei«, sagte die Witwe.
»Die Menschen haben Angst. Ich war vorhin auf dem Markt. Der ist wie tot. Alle sprechen von den Wölfen. Einige wollten schon fliehen. Das ist nicht gut für unser Viertel. Wir waren immer stolz darauf, aber jetzt…«
»Keine Sorge, Gibli, die Zeiten werden sich wieder ändern«, sagte Marcella und sah zu, wie sich der Polizist erhob. Er verabschiedete sich von der Frau und danach von mir. Auf mir blieb sein Blick länger haften. »Ehrlich gesagt, ich traue Ihnen nicht.«
»Das ist Ihr Bier.«
»Wir sehen uns bestimmt noch.«
»Warte, ich bringe dich zur Tür«, sagte Marcella und zwinkerte mir zu. Sie hatte die Lage entschärft, gab Gibli noch ein Stück vom selbstgebackenen Kuchen mit auf den Weg und ließ mich dann allein in der Küche zurück.
Nach einer Weile kehrte sie zurück und zog ein sorgenvolles Gesicht. »Weißt du, John, er ist ein netter Kerl, aber leider überfordert. Der kann Hühnerdiebe fangen, der kommt mit allen gut aus, auch mit den kleinen Gaunern, die hier leben, aber bei den größeren beißt er sich die Zähne aus, der gute Gibli.«
»Das gibt es oft.«
»Jedenfalls hat er etwas bemerkt. Das Mißtrauen gegen dich stand ihm ins Gesicht geschrieben.«
»Ich werde versuchen, es zu zerstreuen. Bestimmt treffen wir noch mal zusammen.«
»Das glaube ich auch.«
Es dauerte nicht mehr lange, als wir abermals das Klingeln hörten. »Ist das dein Freund?«
»Bestimmt.«
»Dann öffne du.«
Suko stand tatsächlich vor der Tür und lächelte mich an. »Na, Frühaufsteher?«
»Selber«, sagte ich, bat ihn ins Haus und stellte ihn der Witwe vor.
Sie war tatsächlich erstaunt, einen Chinesen vor sich zu sehen, gab aber keinen Kommentar, sondern bat Suko, auf dem dritten Stuhl Platz zu nehmen.
Den Kaffee lehnte Suko ab. Dafür hörte er mir zu, was ich zu berichten hatte. Meinem Vorschlag, das Viertel zu durchstreifen, stand er positiv gegenüber.
»Nehmen wir Nadine mit?«
Wie auf Kommando erschien die Wölfin. Sie hatte Sukos Stimme gehört und mußte ihn begrüßen.
Erst als Suko lange genug ihr Fell gekrault hatte, antwortete ich ihm. »Ich möchte sie gern hier lassen.«
»Das ist auch besser«, sagte Marcella. »Wenn die Leute euch mit der Wölfin sehen, drehen sie durch.«
»Genau.«
»Wann wollt ihr denn gehen?« fragte Marcella.
»Jetzt«, erwiderte ich und stand auf. Auch Suko erhob sich.
»Paßt auf, ihr beiden«, sagte sie zum Abschied. »Die Menschen hier sind zwar
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