0492 - Die Wölfin von Rom
Riesenwolf!
Ein gewaltiges, mächtiges Tier. Ein unheimlicher, mörderischer Brocken, und mir stockte der Atem, als ich die Wölfin sah.
Sie drehte sich.
Wir schauten auf ihr Maul und sahen die klein wirkende Gestalt des Jungen zwischen ihren Zähnen.
»Gütiger Himmel, das ist Johnny!« hauchte Suko.
Er sah aus wie tot…
***
»Johnny?« Sheila sprach den Namen ihres Sohnes zuerst sehr leise.
Selbst Bill konnte sie kaum hören. Dann redete sie lauter. »Johnny! Mein Gott, Johnny!«
Jetzt schrie sie und wollte losrennen. Diesmal mußte Bill eingreifen. Er hielt seine Frau fest und mußte schon einen Klammergriff anwenden, weil Sheila sich befreien wollte.
Bill war stärker. Hätte er sie nicht noch weiterhin gehalten, wäre sie zusammengebrochen. So aber konnte er sie zurückziehen. Sheila blieb keuchend stehen. Sicherheitshalber hatte Bill seine Hände noch auf ihren Schultern liegenlassen.
»Johnny…« Der Name ihres Sohnes drang wie ein verzweifeltes Schluchzen über ihre Lippen.
Auch Bill war entsetzt. Daß Morgana Layton ihnen dieses grausame Schauspiel bieten würde, damit hätte er in seinen kühnsten Träumen nicht gerechnet. Aber er hatte es schon einmal in der Eisdiele erlebt. Jetzt wiederholte sich dieser Vorgang, und er konnte nicht einmal sagen, ob Johnny lebte oder nicht.
Er hing tatsächlich wie eine Puppe zwischen den gefährlichen Reißzähnen der übergroßen Wölfin. Seine Arme waren zurückgedrückt, sie pendelten, die Hände zuckten manchmal, wenn die Wölfin ihren mächtigen Kopf bewegte, in dem die grausam kalten Raubtieraugen wie zwei ovale Laternen wirkten.
»Ich will wissen, ob er lebt!« hauchte Sheila. »Ich will es wissen.«
Beide konnten es von ihrem Standort aus nicht genau erkennen. Bill tat nichts, als sich seine Frau in Bewegung setzte und auf die unheimliche Gestalt zuschritt. Er blieb nur dicht hinter ihr, um eingreifen zu können, wenn es die Lage erforderte.
Die Goldene Pistole hatte er auf dem Platz liegenlassen. Bill wollte nicht in Versuchung kommen, eine Riesendummheit zu begehen. Sheila ging schneller. Sie konnte es nicht erwarten. Die Angst drückte ihr die Kehle zu. Sie blieb erst dann stehen, als sie fast senkrecht unter dem Maul angelangt war.
So schaute sie hoch.
Die Wölfin rührte sich nicht. Sie hatte den Conollys etwas versprochen. Jetzt spielte sie mit der Angst der Eltern. Ein kühler Windstoß fuhr über den Platz. Er trieb Abfall vor sich her. Das Raschem hörte sich an wie ein hektischer Atem.
»Ist er tot?« schrie Sheila mit zitternder Stimme der unheimlichen Wölfin entgegen. »Bitte, ich…«
»Sheila«, sagte Bill. »So schwer mir die Worte auch fallen, aber ich muß dir etwas sagen. Ich… ich …« Bill schluckte noch einmal.
»Ich sehe kein Blut, weißt du. Er muß leben. Wenn er tot wäre…«
»Hör auf, Bill, hör auf…«
»Sorry, aber…«
Da bewegte sich Johnny. Diesmal nicht, weil auch die Wölfin zitterte, er tat es aus eigener Kraft. Wahrscheinlich hatte er die Stimmen seiner Eltern gehört, denn er versuchte, den Kopf zu drehen, um die beiden zu erkennen.
Sheila rief wieder seinen Namen.
Das Wort verklang, dann hörten beide die Antwort. »Mummy, Daddy, ihr seid hier. Sie… sie hat mich geholt. Bitte, ihr müßt mich…«
Er konnte nicht mehr weiterreden, zuckte zusammen. Sheila, die Mutter, drehte fast durch. Sie wunderte sich, daß sie noch auf den Beinen stand. Sie wollte etwas sagen, ihrem Sohn Trost zusprechen, doch über ihre Lippen drangen nur unartikulierte Laute, mehr nicht.
Bill schwieg. Sein Kopf schien mit Blei gefüllt zu sein. Er konnte nicht mehr denken, nur noch schauen, und er war so hilflos. Dabei befand sich Johnny fast zum Greifen nahe vor ihm, aber die Wölfin würde immer schneller sein, wenn sie ihn töten wollte.
Nichts konnten sie tun – gar nichts…
»Wenn er stirbt, bringe ich mich um!« sagte Sheila in die Stille hinein. »Das kann ich nicht überleben, das…«
Die Wölfin bewegte sich. Sie war übergroß, ihr Maul fuhr in einem Halbbogen den beiden Conollys entgegen, und sie rechneten damit, daß es jetzt soweit sein würde.
»Bitte nicht!« schrie Sheila. »Bitte…«
Ihre Stimme versagte, die Beine gaben nach…
***
Das fürchterliche Bild meißelte sich in unser Gedächtnis. Auch wenn wir die Situation hier überstanden, vergessen würde ich es nie mehr in meinem Leben.
Dafür war es einfach zu schrecklich!
Auch Savini wurde geschockt. Zum erstenmal erlebte er diese
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