0494 - Hexen-Polterabend
dann wieder verbreiterte und sogar zu einem Trimmpfad wurde, als er den Knick einschlug, von dem Stern gesprochen hatte.
Neben einer Stange für Liegestütze blieb er stehen. »Jetzt müssen wir in den Wald.«
Ich schaute hoch zu den Bäumen. Ein Windstoß fuhr durch die Kronen und bewegte die Blätter.
Manchmal blinkten sie, als wären sie silbrig angestrichen worden.
Suko sprang über die Stange hinweg. Er hatte die Lampe hervorgeholt und leuchtete den Boden ab.
»Hier kommen wir durch. Das ist nur Farn.« Der helle Lichtkegel glitt über die ausgebreiteten Blätter, die sich leicht bewegten.
»Okay, gehen Sie, Stern.«
Auch er übersprang die Stange. Dann zog er den Kopf ein, als würde ich hinter ihm mit einer Peitsche stehen und nur darauf warten, zuschlagen zu können.
Nach wenigen Yards schon hatte uns die Finsternis des Waldes verschluckt. Und auch die Temperatur veränderte sich. Sie sank herab, Feuchtigkeit hing in der Luft. Sie legte sich auf unsere Haut.
Das gefiel auch Suko nicht. »Mir scheint, als würden wir in eine Nebelinsel gehen.«
»Ist das hier natürlich?« fragte ich Stern.
»Keine Ahnung.«
»Okay, gehen Sie weiter.«
Suko und ich leuchteten. Die breiten Farnblätter verdeckten die Sicht auf den Waldboden. Er war weich, nicht immer eben. Manchmal traten wir in feuchte Löcher, dann wieder glitten unsere Sohlen über aus dem Boden wachsende Wurzeln, die oft genug blank wie Eis waren, so daß wir leicht ausrutschen konnten.
Mehr als einmal schaute ich hoch und unter die einladenden Kronen der Bäume. Sie wirkten auf mich wie gewaltige Dächer. Seltsamerweise fühlte ich mich unter ihnen nicht geschützt, denn innerhalb dieses Waldes kamen sie mir vor wie eine Bedrohung.
Suko hatte sich ein wenig von uns entfernt. Mit beiden Händen räumte er Hindernisse zur Seite. Es waren in der Regel die sehr hoch und breit wachsenden Farnblätter. Dennoch hielt er dabei seine Lampe fest, und ihr Licht änderte sich plötzlich, als der Schein einen diffusen Glanz bekam. Er war nicht mehr klar und rein, der Kegel stach in dünne, grauweiße Wolken hinein, die sich vor uns ausbreiteten.
Suko blieb stehen. »Nebel, John«, sagte er. »Das gefällt mir überhaupt nicht.«
»Weshalb?«
»Weil ich einfach das Gefühl habe, daß er nicht normal ist. Verstehst du? Der kriecht aus dem Boden, der steigt hoch, als wären unsichtbare. Hände dabei, ihn zu führen.«
Ich wandte mich an Stern. »Was sagen Sie dazu?«
»Gar nichts. Hier ist alles möglich. Ich hatte Sie ja gewarnt. Wir bewegen uns auf einem ungewöhnlichen Gelände. Hier lauert etwas, das wir mit dem Verstand nicht fassen können.«
»Werden Sie deutlicher!« verlangte ich.
»Das… das kann ich nicht.«
»Der Nebel verdichtet sich!« meldete Suko. Er schwenkte seine Lampe, ich tat es ihm nach, und beide bekamen wir den Beweis geliefert. Die sehr lichtintensiven Strahlen wurden schon bald von der grauen Suppe aufgesaugt. Sie kroch über den Boden, sie war mit ihm verwachsen, und es wurde immer mehr.
Auch stieg der Nebel an. Längst umflorte er unsere Knie und war dabei, den Oberschenkeln entgegenzusteigen. Als ich über die Oberfläche hinwegleuchtete, hatte ich das Gefühl, als wäre er vor uns noch höher.
Und er verschluckte die Geräusche des nächtlichen Waldes. Hatten wir vorhin das Rascheln und Knacken vernommen und uns daran gewöhnt, so fiel uns jetzt die schon bedrückende Stille auf.
Innerhalb von Minuten hatte sich der Wald verwandelt.
Die Normalität war abgelöst worden, das andere, das Böse, das in der Erde lag, stieg jetzt an die Oberfläche, um sich seinen Weg zu verschaffen.
»Wir müssen dorthin, wo der Nebel dichter und höher ist«, erklärte Jerry Stern.
»Bestimmt hüllt er auch den Hügel ein!«
»Ich weiß es nicht.« Sterns Stimme zitterte.
Bisher hatten nur wir gesprochen und damit die Stille des Waldes unterbrochen. Nun änderte sich dies, denn aus der Ferne vernahmen wir ein unheimliches Geräusch.
Suko und ich standen starr. Unser Begleiter hatte die Arme erhoben und preßte seine Hände gegen die Ohren. Er war im Gesicht aschfahl geworden. Dieses Geräusch setzte sich aus verschiedenen Tönen zusammen, die eines gemeinsam hatten. Sie klangen alle sehr schrill und hoch, es waren keine tiefen dabei, aber sie hinterließen bei uns eine Gänsehaut. Dies war ein Gesang der Hölle, ein hohles Pfeifen, als würde jemand in eine Knochenflöte blasen.
»Das ist er!« sagte Stern plötzlich. »Das ist
Weitere Kostenlose Bücher