0494 - Hexen-Polterabend
greifen.
Es war ein ungewöhnliches Schauspiel, noch lautlos, aber bald von einem hohlen Pfeifen unterbrochen, das aus der Nebelsuppe drang.
»Hörst du es?« flüsterte der Hexenmeister. »Es ist etwas Besonderes. Dieses Pfeifen ist der Beginn, denn zu unserer Hochzeit wird der Totenpfeifer erscheinen, um die Musik zu machen. Schau auf den Nebel am Ende des Hügels…«
In der Tat hatten sich die grauweißen Schleier so weit ausgebreitet, daß sie wie dünne Tücher an den Rändern des Bluthügels hochkrochen, aber nicht über den Rand hinwegglitten, als hätten sie Furcht davor, in die Nähe des Thrones zu gelangen.
Das Pfeifen blieb. Auch die drei Hexen hatten es längst vernommen. Sie hatten sich gedreht und standen gebückt, so daß sie den Hügel hinab in den Nebel schauen konnten, wo sich die Wolken lautlos bewegten und durcheinanderquirlten.
Dort schob sich eine Gestalt hervor.
Sie war groß, weißhaarig und breitschultrig. Der Mann hielt die Lippen gespitzt. Er trug einen langen, grauen Bart, ein dunkles Gewand, doch um seinen Kopf über den Schultern ringelten sich grüne Schlangen. Sie bewegten sich im Takt der schrillen Melodie, als würden sie nur auf diese unheimlich und hohl klingenden Töne lauschen.
Es sah so aus, als wäre der Mann aus der Erde gestiegen. Er ging auf den Hügel, und seine Gestalt wuchs mit jedem Schritt, bis sie die volle Größe angenommen hatte.
Der Totenpfeifer starrte den Hang hoch. Die Melodie war leiser geworden, entsprechend langsamer bewegten sich auch die giftgrünen Schlangen, die den Körper umrankten.
Der Totenpfeifer schritt den Hügel hoch. Er wurde von Abandur beobachtet. Der Hexenmeister hatte einen besonderen Blick bekommen. Seine Augen lagen starr in den Höhlen, dennoch schienen sie zu leuchten. Die Lippen waren in die Breite gezogen, er lächelte während des Pfeifens, und die Schlangen fühlten sich auf seinem Körper wohl.
»Auch ihn hat man getötet!« sagte Abandur leise. »Aber er spürte meine Macht und kam zurück. Er stieg aus dem Nebel, aus dem feuchten Boden. Seine Musik wird es sein, die auch die Gäste holt.«
Der Hexenmeister begann zu lachen.
Jane war fasziniert. Es gelang ihr nicht, ihre Blicke von dem Pfeifer zu wenden, der an den drei Hexen vorbeiging und die unmittelbare Nähe des Thrones erreichte.
Dort blieb er stehen, verneigte sich vor Abandur, hob dann den Kopf und legte ihn nach hinten. Sein Blick war gegen den Himmel gerichtet, als wollte er die dunklen Wolken hypnotisieren. Er spitzte seinen Mund. Ein besonders schriller Laut drang hervor, der wie ein Signal über das dunkle Land schwebte und gehört wurde.
Wenig später vernahm Jane Collins über sich ein Flattern und Rauschen. Auch sie blickte in die Höhe und sah die dunklen, sich heftig bewegenden Schatten. Sie schienen aus den Wolken gestoßen zu sein. Vögel, die nicht mehr schlafen wollten. Krähen und Raben, aber auch zwei Eulen huschten über den Thron hinweg, um anschließend dem Boden entgegenzugleiten, wo sie fast im Nebel verschwanden.
Der Totenpfeifer verstummte, verneigte sich und wartete auf einen Befehl des Hexenmeisters.
»Ja«, sagte Abandur, »hole unsere Gäste herbei. Ich will, daß der Hexen-Polterabend bald beginnt…«
***
Die Sache mit der Puppe hatte Suko und mich geschockt. Allerdings wollte mein Freund nicht glauben, daß es Janes Ende war, und er versuchte auch, mich davon zu überzeugen.
»Nein, John, du kannst es so nicht sehen.«
»Was war es dann?«
»Ich weiß es auch nicht. Für mich ist die Verbindung zwischen Jane und der Puppe gerissen.«
Während ich mir den kalten Schweiß von der Stirn wischte, schaute ich Suko an.
»Ja, so ist es.«
»Ich glaube es erst, wenn ich Jane sehe.« Dabei starrte ich auf die Puppe, die nur mehr ein Klumpen war.
Jerry Stern kam auf uns zu. »Wissen Sie Bescheid?« fragte Suko. »Sie sind diesem verdammten Hexenmeister immerhin etwas schuldig - oder nicht?«
»Er hat mich nicht in alles eingeweiht.«
»Das glaube ich Ihnen gern, aber Sie müssen sich Ihre Gedanken gemacht haben!«
Ich hatte ihn sehr scharf angesprochen. Er ballte die Hände zu Fäusten.
Sein Grinsen fiel mager aus. »Was wollen Sie, ich habe ihm nur gedient. Er hat mir Macht, Reichtum und Einfluß versprochen. Das hat sich bisher alles erfüllt.«
»Und Sie mußten dem Teufel Ihre Seele versprechen!«
Stern hob die Schultern.
»Wir sollten gehen, John!« schlug Suko vor. »Jede Minute, die vergeht, kann die Gefahr
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