0494 - Hexen-Polterabend
Kugel zu versuchen, denn wir hätten zu leicht den Anwalt treffen können.
Mein Freund kam nicht mehr dazu, einzugreifen. Wie eine Puppe, die jemand in die Höhe geschleudert hat, tauchte Stern wieder auf. Er drang von unten her in die beiden Lichtstrahlen. Sein Gesicht war deutlich zu sehen, wir erkannten das gesamte Ausmaß des Grauens.
Jerry Stern lebte nicht mehr.
Eine unheimliche Macht hatte ihm die Haut vom Gesicht gezogen!
***
Der Anblick traf mich verdammt hart. Obwohl er nur kurz andauerte, prägte er sich ein und bewies mir auch, mit welch furchtbaren Gegnern wir es zu tun hatten.
Das Gesicht schien im Schein für einen Moment zu tanzen, bevor die im Nebel lauernde Gefahr wieder eingriff und den Anwalt zu Boden riß. Er tauchte abermals ein und war verschwunden.
Kein Geräusch mehr, nichts - nur diese lastende Totenstille. Ich bekam Furcht. Dieses weiße, undurchdringliche Meer besaß in seinem Innern ein furchtbares Grauen. Es hatte bewiesen, wie schlimm es zuschlagen konnte. Waren wir etwa als nächste an der Reihe?
Suko bat mich, stehenzubleiben. Statt dessen bewegte er sich vor und ging dorthin, wo Stern verschwunden war und wahrscheinlich noch liegen mußte.
Mein Freund holte noch während des Laufens aus. Er schlug mit der ausgefahrenen Peitsche in einem Halbkreis zu. Auch die drei Riemen verschwanden in der hellen Wolkenbrühe. Wir vernahmen ein Klatschen, als sie ein Ziel erwischten.
Im nächsten Augenblick erklang ein furchtbarer Schrei. Ein Körper jagte aus der Nebelbank, ein Gebilde aus Haut, Knochen und Lumpen mit blutigen Krallen und einem Gesicht, das dabei war, sich aufzulösen, denn die Riemen hatten voll getroffen.
Die Gestalt taumelte wie eine Marionette. Sie konnte sich nicht mehr halten, die Macht der Dämonenpeitsche trieb sie zurück und wieder in die Nebelwelt.
Von dort würde sie sich nie mehr erheben. Die Dämonenpeitsche leistete immer gleiche Arbeit.
Suko ging zwei Schritte zurück. »Das war einer«, sagte er und leuchtete die Oberfläche ab. »Dieser verdammte Wald muß ein Grab sein. Wer weiß, wie viele noch aus dem Boden kriechen.«
»War es ein Zombie?«
»Ein Hexenzombie, würde ich sagen. Ein Gast für den Polterabend. Verdammt, John, das wird ein Strauß, aber wir müssen weiter.«
Es gibt keine andere Möglichkeit. Was immer sich auch im Nebel verbarg, wir konnten ihm nicht entgehen.
Suko ließ die Peitsche ausgefahren. Ich nahm noch meine Beretta in die rechte Hand und würde beim nächsten Angriff in den Nebel hineinschießen.
Wir gingen weiter wie Menschen, die lange gelegen hatten und erst wieder lernen mußten, richtig zu laufen. So vorsichtig setzten wir unsere Schritte.
Jedesmal tasteten wir vorher den Boden nach irgendwelchen Hindernissen und Fallen ab.
Die ersten Yards kamen wir gut voran. Die Richtung behielten wir dabei bei und sahen auch, daß sich der Baumbewuchs schon bald lichtete. Die Lücken zwischen den Stämmen wurden größer. Was jetzt noch wuchs, war Buschwerk, dessen obere Zweigspitzen zitternd aus der weißen Nebelbrühe ragten.
Bei jeder Berührung hatte ich das Gefühl, es wären Klauen und Hände, die mich umklammerten und an den Boden zerren wollten. Aber es strichen nur Zweige vorbei oder das Blattwerk der Farne. Wie kleine Hügel ragten Wurzeln aus dem Boden. Manchmal bildeten sie auch Hindernisse, in denen ich mich verfing.
Auch Suko hatte Glück gehabt und war noch nicht angegriffen, beziehungsweise festgehalten worden.
Den Bluthügel konnten wir noch nicht sehen. Wir wühlten uns weiter, bewegten die Arme im Rhythmus der Beinbewegungen, ruderten voran, ohne jedoch auf Widerstand zu treffen.
Dann erwischte es mich doch.
Nicht eine Hand umklammerte meine Knöchel, es waren zwei, die links und rechts zugriffen.
Sie rissen hart an meinen Beinen. Ich fiel nach vorn, und es war nichts in der Nähe, an dem ich mich hätte festhalten können. Kein querwachsender Ast. Mit Lampe und Beretta in den Händen verschwand ich in der weißen Nebelbrühe.
Irgendwo schlug ich auf. Ich hatte die Arme glücklicherweise angewinkelt, so daß ich mich mit den Ellbogen abfangen konnte. Sukos Ruf vernahm ich noch, dann rutschte ich mit dem rechten Ellbogen von einer Baumwurzel ab und bohrte den Knochen fast in den weichen Boden.
Ich wälzte mich her, schaffte es leider nicht, auf den Rücken zu kommen, weil die Klauen stark wie Klammern waren und mich einfach nicht loslassen wollte.
So blieb ich auf der Seite liegen. Der Schein wurde
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