0496 - Das Knochenhaus
Frau wirklich in ihm haust, soll sie denken, daß du allein gekommen bist. Ich rechne damit, daß sie dir nichts antut. Schließlich hast du ihren Ruf empfangen. Sie will dich bestimmt nicht töten.«
»Wer kann das schon wissen?«
»Sollte irgend etwas sein, schreist du. Oder schießt.« Ich holte die mit geweihten Silberkugeln geladene Ersatzberetta aus der Tasche und drückte Jane die Waffe in die Hand.
Sie war überrascht. »Du vertraust mir die Pistole an?«
»Weshalb sollte ich nicht?« Ich beugte mich vor. »Jane, noch einmal, du gehörst zu uns. Wie oft soll ich dir das noch sagen? Du bist keine Hexe, obwohl du die Veränderung am Tage über dich ergehen lassen mußt. Aber wir lassen dich nicht fallen. Denk nicht so etwas.«
Sie nickte und sagte dabei mit traurig klingender Stimme: »Trotzdem ist es sehr schwer.«
»Das weiß ich. Nur möchte ich dich bitten, jetzt nicht mehr daran zu denken.«
»Ich versuche es.« Jane steckte die Waffe ein. Sie nickte mir noch einmal zu, wollte gehen, ich aber hielt sie fest und legte eine Hand um ihren Hinterkopf.
»Was hast du vor, John?«
Ich gab ihr die Antwort auf meine Weise und drückte meine Lippen auf ihren Mund. Es war nur ein flüchtiger Kuß, doch ein Zeichen meiner Sympathie für diese Frau.
Jane Collins schloß die Augen für diesen Moment. Als ich meinen Kopf zurückdrückte, da sah ich noch das Lächeln auf ihren Lippen. Dieser Kuß hatte ihr gutgetan und bestimmt auch die Hoffnung in ihr geweckt, daß es aufwärts ging.
Dann schritt sie davon.
Ich tauchte zurück in das Dunkel und beobachtete, wie sie als einsame Gestalt dem Haus entgegenging, auf die Veranda trat und sich der Tür näherte.
Beide Daumen drückte ich ihr, mir natürlich auch…
***
War es noch ein Gesicht? Gab es bei ihrem Bruder noch so etwas, das man als Gesicht hätte bezeichnen können?
Nein, nichts davon war vorhanden. Weder Augen, Mund, Nase noch das Kinn. Eine grüne, dichte und dennoch schleimige Masse bedeckte die vordere Gesichtshälfte und hatte sich auch auf den Haaren verteilt, so daß Erics Gesicht wie ein grüner Klumpen wirkte.
Allmählich nur ebbte Mayas Schrei ab. Er lief in einem leisen, von heftigen Atemzügen unterbrochenem Wimmern aus. Die Zigeunerin zitterte am ganzen Körper, Hände und Arme bebten. Sie wischte über ihre Augen und flüsterte den Namen des Bruders.
Eric sah aus, als wäre er unter der schleimigen Algenschicht erstickt. Wenn es stimmte, mußte er einen fürchterlichen Tod erlitten haben. Es kostete sie große Überwindung, die Masse überhaupt zu berühren. Sie streckte den rechten Zeigefinger aus und tippte mit der Kuppe gegen die weiche Algenmasse.
Sie war so weich, daß ihr Finger ohne großen Druck bis zur Hälfte in der Schicht verschwand. Sie drückte noch etwas weiter und fühlte darunter den leichten Widerstand.
War das die Haut, oder hatte sich die Schicht schon abgelöst? Maya grauste vor dieser Tatsache, trotzdem wollte sie nachschauen. Sie begann damit, die grüne Algenschicht vom Gesicht ihres toten Bruders zu entfernen. Er trug noch immer seine Taucherkleidung. Das Mundstück baumelte neben seinem Hals. Das Ventil der Sauerstoffflasche war geschlossen. Es strömte keine Preßluft mehr aus.
Die Brille allerdings hatte er verloren.
Maya befreite das Gesicht allmählich von der grünen Schicht. Sie überwand sich sogar, die Lampe zu nehmen und die Stelle anzufeuchten. Im Gegensatz zum tiefgrünen Schleim kam ihr die Haut sehr hell und fast weiß vor.
Die Augen hatte Eric nicht geschlossen. Sie standen weit offen und wirkten wie glanzlose Kugeln.
Das Gesicht zeigte einen fürchterlichen Ausdruck. Wie eingemeißelt stand das in den letzten Sekunden seines Lebens erlebte Grauen darin.
Sie wischte über ihre Stirn. Die Finger hinterließen auch auf ihrer Haut eine leichte Schleimspur, und sie begann wieder zu weinen. Ihr Tränenwasser vermischte sich mit dem Schleim.
»Ich werde dafür sorgen, daß du ein ordentliches Begräbnis bekommst«, flüsterte sie. »Keine Angst, Eric. Du bist zwar grausam gestorben, aber du sollst so begraben werden, wie es auch bei unseren Eltern der Fall gewesen war.«
Nach diesen Worten hatte sie gehofft, daß sich Erics Geist melden würde, er blieb aber stumm. Keine Reaktion erfolgte aus dem Unsichtbaren.
Maya stand auf. Erst jetzt merkte sie, wie sehr sie die letzten Minuten geschlaucht hatten. Sie war nicht nur seelisch fertig, auch körperlich ziemlich am Ende.
Die Angst war
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