0496 - Das Knochenhaus
grünen Wasserlachen aus. Maya schaltete die Lampe ein und drehte sie so, daß sie in Erics Gesicht leuchten konnte.
Diesmal konnte sie den Schrei nicht unterdrücken.
Grell hallte er aus dem Keller bis unter das Dach des Hauses. Maya war zutiefst schockiert, denn das Gesicht ihres Bruders sah fürchterlich aus…
***
Der Gedanke, der mich durchfuhr, war irgendwie beschämend, und ich hütete mich auch, ihn vor Jane Collins auszusprechen, aber in diesem Falle fand ich es nicht einmal so schlecht, daß in Jane Collins praktisch zwei Seelen wohnten.
Zu mir hätten die Hexen oder wer immer uns leitete, einen nicht so direkten Kontakt herstellen können. Bei Jane war es anders. Sie wußte plötzlich, wie ich zu fahren hatte. Es war ihr gelungen, mich aus London herauszulotsen. Über Nebenstraßen fuhren wir nach Nordwesten, wobei wir den Motorway 11, die Verbindung London-Cambridge, links liegenließen.
Mitternacht war vorüber, der Verkehr war nur noch spärlich gesät, und wir hatten den Ort Bishop's Stortford bereits passiert, als Jane mich auf noch schmalere Straßen dirigierte. Sie zerschnitten die Ebene wie graue Bänder, tauchten hin und wieder in ein Waldstück, um danach wieder durch Felder zu führen.
Die Gegend war einsam. Wir fuhren nicht mehr durch Ortschaften. Nur hin und wieder warf ich Jane einen Blick von der Seite her zu.
Sie saß bewegungslos neben mir. Privat sprach sie kein Wort. Manchmal nur zuckten ihre Mundwinkel. Für mich das äußere Zeichen, daß sie innerlich litt.
Wieder erschien vor uns ein Wald. Er wirkte wie eine undurchdringliche Mauer. Erst als wir ziemlich dicht an ihn herangefahren waren, erkannte ich, daß sich die Straße hindurchwand.
»Dahinter ist es!« sagte Jane plötzlich.
»Das Haus?«
»Ja.«
»Gut.«
Ich fuhr, so schnell es ging. Manchmal berührten Baumzweige mit ihren Blättern die Karosserie, wo sie entlangstreiften wie nasse Finger. Hinter einer scharfen Doppelkurve öffnete sich das Gelände.
Unser Blick bekam trotz der herrschenden Dunkelheit eine gewisse Freiheit, und wir sahen beide zugleich den breiten, helleren Gegenstand, der sich vom fast schwarzen Untergrund abhob. Das war das unheimliche Haus!
Ich hörte Jane aufatmen. »Wir haben es gefunden«, sagte sie. »Dort haust die böse Frau.«
»Wir werden sie holen.«
Jane berührte meinen Oberschenkel. »Sei nicht so voreilig, John. Sie ist sehr gefährlich.«
»Das bin ich auch.«
Sekunden später trat ich auf die Bremse, denn die Scheinwerferlanzen hatten zwei Fahrzeuge aus der Dunkelheit gerissen. Einen Mercedes und einen Polo. Beide Wagen standen dicht beieinander, und ich rollte langsam auf sie zu und hielt an. Jetzt parkte der Polo zwischen den größeren Fahrzeugen wie eingeklemmt.
Nach dem Aussteigen schlossen wir leise die Türen und schauten uns aus dieser Entfernung das Ziel an.
Eigentlich wirkte es völlig normal, auch wenn es nicht in diese Gegend hineinpaßte, mit seinem wuchtigen, von Säulen gestütztem Vorbau. Dieses Gebäude konnte ich mir im Süden der Staaten besser vorstellen. Es wäre auch für einen historischen Film über den Bürgerkrieg geeignet gewesen.
»Ein seltsames Haus«, sagte auch Jane und zog die Schultern hoch. »Es flößt mir Furcht ein.«
»Wieso?«
»Ich weiß es auch nicht. Es strahlt etwas ab. - Komisch, nicht wahr?«
»Du hast ein besseres Einfühlungsvermögen als ich«, gab ich zu. »Wenn du sagst, daß dieses Haus dir unheimlich vorkommt, glaube ich dir. Auch das Holz schimmert so merkwürdig hell.«
»Ja, ungewöhnlich.« Jane ging einen kleinen Schritt vor. »Als würde dort etwas leben.«
»Die böse Frau.«
Sie warf einen Blick über die Schulter. »Hockt sie tatsächlich zwischen den Wänden?«
»Hast du nicht selbst davon gesprochen?«
Sie nickte. »Das habe ich.«
Jane kam mir vor, als würde sie nur auf mein Zeichen oder meine Initiative warten. »Okay, gehen wir.« Ich faßte sie an der Hand. Dicht nebeneinander schritten wir über den weichen Grasboden.
Der Wind blies in unsere Gesichter. Er kühlte und brachte zahlreiche sommerliche Gerüche mit. Das Gras roch regenfrisch, am Himmel vollzogen die Wolken ihr tanzendes Spiel und wirkten manchmal wie nebelhafte Figuren aus einer fernen Märchenwelt.
Ich ging noch vor der Veranda nicht mehr weiter. Auch Jane blieb stehen. »Wir machen es so, wie wir es abgesprochen haben«, erklärte ich ihr. »Du wirst das Haus zuerst betreten.«
»Wann kommst du?«
»Später. Falls die böse
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