0496 - Das Knochenhaus
Kellertür. Sie hatte einen Schatten geworfen, der an der Wand entlangwanderte und mit seinem spitzen Ende sogar die Kellerdecke erreichte.
Dann war die Tür so weit geöffnet worden, daß Maya in den Ausschnitt schauen konnte.
Dort stand eine Gestalt - eine Frau!
Trotz der schlechten Sichtverhältnisse wußte die Zigeunerin sofort, daß es sich nicht um ein männliches Wesen handelte. Es war die Ausstrahlung, die sie wahrnahm. Sie drang ihr entgegen wie eine Botschaft, und die sensitive. Person spürte auch, daß ihr der weibliche Ankömmling nicht feindlich gesonnen war.
»Wer sind Sie?« Es hatte Maya Überwindung gekostet, diese Worte auszusprechen.
»Das könnte ich Sie fragen«, lautete die Antwort.
»Ich habe zuerst gefragt. Mit welchem Recht…?« Maya wollte weitersprechen, in diesem Augenblick aber hatten sie die drei Algenarme erreicht und packten zu.
Sie umklammerten ihre beiden Fußknöchel. Zwei den rechten, der dritte den linken.
Dann zogen sie.
Die Zigeunerin kippte nach hinten. Sie hatte die Augen weit aufgerissen, sah das Drehen der Decke, fühlte die heiße Angst in ihrem Innern und schlug hart auf.
Ein vierter Arm war plötzlich da und klatschte genau in ihr entsetztes Gesicht…
Plötzlich rutschte ich weg!
Es war vielleicht mein Fehler gewesen, auf das feuchte Dach des Vorbaus zu steigen und den anderen Weg ins Haus zu suchen, jedenfalls hatte ich falsch getreten und kam mir vor wie eine Dachpfanne, die der Wind gelöst hatte.
Gefährlich nahe geriet ich an den Rand und breitete gerade noch rechtzeitig genug meine Beine aus, um die Rutschpartie zu beenden. Auch mit den Handflächen bekam ich den nötigen Halt, so daß ich glücklicherweise nicht über den Rand kippte.
Ich war gewarnt und bei der nächsten Aktion dementsprechend vorsichtiger.
Für mich war das Fenster direkt über der Anbaumitte wichtig. Die dunkle Scheibe glotzte mich an wie der Eingang zu einer Höhle. Meine eigenen Bewegungen zeichneten sich auf der graublauen Fläche ab. In das Zimmer dahinter konnte ich dann nicht hineinschauen, als ich die Scheibe erreicht hatte und meine Hand gegen das Glas preßte.
Von außen ließ sich das Fenster nicht öffnen. Wollte ich ins Haus, mußte ich die Scheibe einschlagen.
Ich umwickelte die Beretta mit einem Taschentuch, holte kurz aus und schlug mit dem Griff gegen das Glas.
Es zersprang bereits beim ersten Versuch. Das Klirren war nicht einmal laut, aber das Loch besaß die richtige Größe, um die Hand hindurchschieben zu können, die ich dann drehte, damit ich den Fenstergriff in der Mitte erreichte.
Ich öffnete das Fenster und drückte die Scheibe samt Rahmen nach innen. Der Rest war ein Kinderspiel. Geschmeidig wand ich mich durch die Öffnung und stand schließlich in einem stockfinsteren Raum, der erst durch das Licht meiner kleinen Lampe erhellt wurde.
Das Zimmer war leer. Nicht einmal einen Schrank oder ein Bett sah ich darin. Kein Regal bedeckte die Wände, und an der Decke hing auch keine Lampe.
Dafür sah ich eine Tür.
Ebenfalls so hell wie die Wand, mit einer dunklen Klinke versehen. Sie lag dem Fenster direkt gegenüber, lockte mich, und ich schritt langsam auf sie zu.
Die nackten Dielenbretter bewegten sich unter meinen Schritten. Das Knarren begleitete mich so lange, bis ich die Tür aufgezogen und in den Gang geschaut hatte.
Es war dunkel. Eine dichte, schwarze Finsternis hüllte ihn ein wie starrer Nebel. Einen Feind oder ein dämonisches Wesen sah ich natürlich nicht und hörte auch keinerlei Geräusche aus der unteren Etage.
Ein Haus ohne Möbel, ohne Bilder, einfach nackt und leer. Es sah auch nicht bewohnt aus. Ich fand keinerlei Spuren, die auf einen Bewohner hingedeutet hätten. Die Stille zerrte an meinen Nerven.
Obwohl ich mich inzwischen in den Gang gestellt hatte und den Lampenstrahl nach vorn richtete, wo er die Finsternis durchschnitt und auf ein Treppengeländer traf, aber keine Personen aus der Schwärze hervorholte, hatte ich den Eindruck, beobachtet zu werden.
Irgendwo in der Finsternis lauerten die Augen. Gefährliche, unsichtbare Glotzer, die sich möglicherweise in einer anderen Dimension aufhielten. Dieses Haus war erfüllt von einem nicht faßbaren Schrecken. Er befand sich überall. In den Wänden, dem Boden, der Decke, außen als auch innen, aber er war nicht zu sehen.
Das störte mich.
Ich holte mein Kreuz hervor. Diese weißmagische Waffe ist sehr guter Indikator für das Böse. Es zeigte mir an, wenn die Mächte der
Weitere Kostenlose Bücher