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0496 - Die Stadt der Toten

0496 - Die Stadt der Toten

Titel: 0496 - Die Stadt der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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sonst darf es erfahren. Ich will nicht, daß alles in Panik und Raserei zerfällt. Es wird so schon schlimm genug werden. Aber wir wollen uns wenigstens einen Rest Würde bewahren. Offiziell werden wir verlautbaren, daß es Rettung gibt.«
    »Das Volk belügen, wie?« brummte Calhoun. »Sieht so aus, als wären die Politiker überall gleich.«
    »Ich bin kein Politiker«, erwiderte Norr. »Ich bin nur ein Beauftragter für die Sicherheit unseres Volkes. Nein -ich bin jetzt nichts mehr.«
    »Und ob du etwas bist: ein Narr!« fuhr Zamorra ihn an. »Ein Narr, der die Hoffnung aufgibt!«
    »Hast du sie mir nicht gerade eben selbst zerstört?« klagte Reek Norr ihn an. »Du sagst mir, daß es keine Rettung für meine Welt gibt, aber ich soll weiter hoffen? Der Narr bist du, mein Freund. Aber ich bin froh, daß du mir die Wahrheit gesagt hast, ohne etwas zu beschönigen. Ich bedaure es, daß ich nun alle anderen belügen muß, um eine Panik, so lange wie möglich hinauszuzögern. Ich bedauere es, daß Orrac Gatnor von den Sümpfen nicht mehr lebt. Er mit seinem unglaublichen Talent zur Demagogie, mit seinen überragenden Rednerfähigkeiten und seiner Autorität hätte mir diese schmutzige Arbeit abnehmen können.«
    »Gatnor war dein Feind. Jetzt lobst du ihn?« wunderte sich Nicole.
    »Gatnor war mein Gegner, nicht mein Feind. Und ich lobe die Fähigkeiten, nicht den Mann.«
    »Er hätte vermutlich wieder Blutopfer verlangt und dem Volk vorgegaukelt, damit das Ende aufhalten zu können, wie er es immer wieder bei seinen Anti-Entropie-Experimenten getan hat«, sagte Nicole.
    Reek Norr lachte leise. »Vielleicht hätte ich mich diesmal als Freiwilliger gemeldet«, knarrte er. »Wer tot ist, hat es hinter sich und braucht den Untergang der Welt nicht mehr sehenden Auges zu erleben. Wie mag es sein, wenn man in den Strudel der Auflösung gerät, wenn man sieht, wie Arme und Beine langsam verschwinden, wenn man die Gliedmaßen nicht mehr spürt, wenn man ins Nichts gleitet ohne die Chance, in einem anderen Gelege seine Wiedergeburt zu erfahren?«
    »He, verlier dich nicht in Todesgedanken!« protestierte Zamorra. »Noch sind wir nicht soweit. Es gibt noch eine Lösung.«
    »In eure Welt überzusiedeln, nicht wahr?« Norr warf den Kopf hoch und lachte auf. »Nein, mein Freund. Wir würden nicht glücklich werden. Bei meinen wenigen Besuchen in eurer Welt, durch meine Kontakte zu euch und durch eure Erzählungen über eure Mitsäuger ist mir das klargeworden. Ihr vertragt euch ja nicht einmal untereinander. Wenn jemand eine andere Hautfarbe aufweist oder zu einem anderen Gott betet, wird er von der Menge verstoßen oder gar erschlagen. Sind die Andersfarbigen oder Andersgläubigen zu vielen, führt man gegen sie einen Ausrottungskrieg. Wenn ihr schon innerhalb eurer eigenen Art keine Harmonie findet, wie würde es denn aussehen, wenn plötzlich eine absolut fremde Art mit auf eurer Welt wohnte? Wir wären auch unheimlich, und ihr würdet uns erschlagen. Wir wären nichts anderes als Tiere, von denen ihr nahe der großen Ausrottung allenfalls ein paar in einen Zoo sperrt, in Käfige, um ein paar Exemplare zu züchten, damit ihr sie und ihre Nachkommen auch euren Enkeln noch vorführen könntet.«
    »Sicher gäbe es Möglichkeiten!« protestierte Zamorra. »Wir haben schon einmal darüber gesprochen, entsinnst du dich?«
    Reek Norr nickte. »Und heute heißt die Antwort mehr denn je nein. Das Leiden und das Sterben würden nur unnötig hinausgezögert. Wenn wir nicht in unserer Welt sterben, sterben wir in eurer - nur in noch größerer Verzweiflung. Nein, ich werde mich bis zuletzt gegen eine Übersiedlung auf eure Erde wehren. Ich werde dagegen kämpfen, wenn es sein muß. Zamorra, ich habe oft und lange darüber nachgedacht, ob es nicht möglich wäre, daß wir alle unsere Welt verlassen, Aufklärungsarbeit durch die Medien in eurer Welt zu betreiben, die euch Säuger auf unsere Ankunft und Existenz vorbereiten. Es könnte Jahrhunderte dauern, bis es zu einer entsprechenden Akzeptanz kommt, vielleicht sogar Jahrtausende. Aber ich habe erkannt, daß es keinen Sinn hat. Damals nicht, als wir noch glaubten, hunderttausend Jahre und mehr Zeit zu haben, und jetzt, wo uns überhaupt keine Zeit mehr bleibt, erst recht nicht.«
    »Er hat recht«, sagte Calhoun. »Die Weißen treten die Farbigen, und die Farbigen werden diese Krokodilmenschen treten. Sie werden immer am untersten Ende der Hackordnung stehen. Man wird sie im günstigsten

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