0499 - Die Hexe von Stonehenge
»Wenn das eine Orgie wird, mache ich nicht mit.«
»Es wird keine Orgie«, versicherte er. »Du brauchst nur einfach da zu sein, mehr nicht. Wie ich schon sagte -du bist unser Ehrengast. Druiden veranstalten keine Sex-Orgien.«
Er küßte sie wieder. »Laß es einfach auf dich zukommen«, sagte er. »Es wird mein einmaliges Erlebnis sein. Vertrau mir.«
***
Die Mittagsstunde war längst vorüber, aber von Sid Amos war immer noch nichts zu sehen. »Diesmal hat es ihn übel erwischt«, behauptete Nicole. »Aber er wird diesen Kräfte-Schwund überleben. Mit etwas Schwund muß man immer rechnen…«
»Ich könnte mir vorstellen, daß er dir für diese Bemerkung liebend gern den Hals umdrehen möchte«, schmunzelte Zamorra. Dabei- war ihm gar nicht zum Lachen zumute. Er konnte sich an den Fingern einer Hand ausrechnen, daß hinter Amos’ Interesse an Stonehenge mehr steckte als nur ein harmloser Sonntags- oder Montagsausflug. Er fragte sich nur, warum Amos sich ausgerechnet jetzt dafür interessierte.
»Fahren wir los?« fragte Nicole. »Oder warten wir, bis uns der Efeu um die Knie rankt?«
»Wir fahren«, entschied Zamorra. »Amos kann uns jederzeit finden. Deshalb brauchen wir ihm nicht mal einen Zettel auf den Tisch zu legen. Wenn er schlau ist, trifft er uns vor Ort. Wenn er nicht dort auftaucht, können wir uns trotzdem schon mal umsehen.«
Nicole setzte sich ans Lenkrad. Auf den Straßen waren extrem viele Sonntagsausflügler unterwegs. Bis Amesbury brauchten sie über zwei Stunden. Eine Stunde vor der tea-time stoppte Nicole den 560 SEL vor der Pension, in der ihr Zimmer gebucht worden war -allerdings erst ab dem nächsten Tag. Trotzdem gab es keine Probleme. Das Doppelzimmer war frei, und die behäbige Vermieterin, die innerhalb von fünfzig Lebensjahren fleißig Übergewicht angesammelt hatte und sich damit rundum zufrieden zeigte, fragte nicht einmal nach dem Trauschein. Statt dessen lag in jeder Nachtschrank-Schublade eine Packung mit Kondomen.
»Dieses verregnete, puritanische England überrascht mich immer wieder«, bemerkte Zamorra. »Erstens scheint die Sonne, und weder von Regen noch von Nebel ist auch nur die geringste Spur zu sehen, und zweitens schmeißt man uns nicht mehr deshalb raus, weil wir als Unverheiratete ein Doppelzimmer belegen… vor zehn Jahren wäre das in einem Dorf wie Amesbury noch unmöglich gewesen!«
»O temporae, o mores«, zitierte Nicole einen alten Römer, der schon zu seiner Zeit den Verfall der Sitten beklagt hatte. »Schauen wir uns den Ort an und geben Assi damit die Chance, zu uns zu stoßen, oder fahren wir direkt nach Stonehenge und prüfen das Terrain?«
»Letzteres«, beschloß Zamorra. »Unser ehemals pferdefüßiger Freund wird uns schon finden, wenn er es will - und wenn nicht, mag er sich zum Teufel scheren. Die unterirdische Basis ist zwar interessant und das Rätsel durchaus sehenswert, aber mit Gewalt mag ich auch nicht eindringen. Dieses Prachtwetter lädt nämlich weniger zur Höhlenforschung ein, denn zum Heldenzeugen.«
Nicole hob den Zeigefinger. »He, übernimm dich bloß nicht, du Senior-Held.«
***
Am Mercedes lehnte ein Mittzwanziger im grauen Nadelstreifenanzug. Er machte sich einen Freizeitsport daraus, die Scheibenwischarme aus der Versenkung zu heben und wieder zurückschnellen zu lassen.
Zamorra näherte sich ihm lautlos und tippte ihm auf die Schulter. Der Mann fuhr herum, wirkte aber kaum erschrocken.
»Das Berühren der Figüren mit den Pfoten ist verboten«, zitierte Zamorra. »Ihre Bewunderung für unsere Scheibenwischer verwunderte mich. Es würde mich weniger verwundern, würden Sie den Mercedes an sich bewundern.«
»Wenn Sie mit ihren unhumorigen Wortspielen fertig sind, darf ich Ihnen versichern, daß Ihr veraltetes Mercedes-Modell - ebensowenig wie sein scheußlich gestylter Nachfolger - auch nur annähernd einen Hauch der Bewunderung verdient, die ein anständiger Brite einem ehrwürdigen Rolls-Royce zu zollen pflegt, dem mit Abstand besten Auto der Welt. Ich bin Mathew Cross, Sergeant der Kriminalpolizei von Salisbury.«
Zamorra lächelte. »Sie werden mir sicher sofort sagen, wer ich bin und wen ich ermordet habe.«
»Haben Sie? Faszinierend. Das spart Arbeit, Professor. Sie sind Zamorra, nicht wahr? Der Mann, dem ein Paß nicht genug ist und der deshalb gleich zwei Staatsbürgerschaften hat.«
»Zudem eine vorzügliche Ungeduld gegenüber Phrasendreschern«, erwiderte Zamorra. »Was wollen Sie von mir?«
Math
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