0499 - Garingas Fluch
ihn ein wenig, er hatte sich mittlerweile daran gewöhnt.
Saunders atmete auf, als er die Kirche verlassen hatte. Mit dem Ärmelstoff putzte er den Schweiß von der Stirn. Mittlerweile hatte sich auch der Himmel verändert.
An der blauschwarzen Fläche stand wie ausgeschnitten die Sichel des Halbmonds. Sie schien all diejenigen zu grüßen, die von der Erde her zu ihr hochschauten.
Der Mond war der Freund der Nachtgeschöpfe. Und die Geschöpfe der Nacht befanden sich in der Nähe. Saunders wußte dies. Nicht umsonst hatte er sich auf sie verlassen.
Seine Füße hinterließen bei jedem Schritt dumpfe Echos auf der alten Friedhofserde, als er zwischen den Gräbern einherlief und das alte Eisentor erreichte. Mit dem Rücken schob er sich am Halbrund entlang und starrte gegen den Wald.
Dort rührte sich nichts, doch er wußte genau, daß sie da lauerten und auf das Zeichen warteten.
Saunders griff in die Tasche. Er holte eine flache Lampe hervor, schaltete die ein und beschrieb mit ihr zwei Kreisbogen schnell hintereinander.
Es war das Zeichen!
Sekunden vergingen, am Waldrand rührte sich so lange nichts, bis sich plötzlich einige Zweige bewegten und eine hochgewachsene Gestalt erschien.
Mit bedächtig wirkenden Schritten näherte sie sich Saunders, der sich, als der Fremde vor ihm stehenblieb, verbeugte.
»Ist alles klar?« fragte der Mann.
»Jawohl, Mr. van Akkeren…«
***
Mein ungutes Gefühl verschwand sehr schnell wieder, weil ich mich auf den Aufprall konzentrieren mußte. Ich hatte die Tiefe nicht so recht abschätzen können, landete aber schneller auf dem Grund, als ich geglaubt hatte.
Ich war in diesen Momenten eigentlich wehrlos, zudem wandte ich Garinga den Rücken zu, der aber rührte sich nicht. Er ließ mir die Zeit, den Aufprall abzufangen. Einige kleine Schritte lief ich noch weiter und ging nicht zu Boden, wie ich zunächst befürchtet hatte.
Beim Umdrehen blickte ich in die Höhe. Saunders schaute mir nicht nach. Darüber wunderte ich mich. Mich an seiner Stelle hätte es interessiert, wie jemand versucht, gegen einen mächtigen Dämon zu kämpfen. Die Distanz bis zum Rand war einfach zu groß, um sie mit einem Sprung überwinden zu können.
Ich hatte mich auch an Saunders Erklärungen erinnert. Er hatte davon gesprochen, daß die Templer-Kirche auf einem alten Gemäuer gebaut worden war. Wenn es tatsächlich noch existierte, fand ich sicherlich noch genügend Gänge und Stollen, von denen einer irgendwo im Freien endete.
Das war zweitrangig. Zunächst interessierte mich das Schwert - und natürlich auch der Dämon Garinga, dessen Namen ich an diesem Tag zum erstenmal vernommen hatte.
Eine Täuschung war es nicht gewesen. Die Klinge steckte tatsächlich in seinem Kopf. Das Schwert war ein besonderes Meisterwerk. Im Licht meiner Lampe überkam mich so etwas wie ein Gefühl der Ehrfurcht, als ich es betrachtete. Obwohl es gut 900 Jahre alt sein mußte, hatte es unter der langen Zeit kaum gelitten. Ich sah nicht einmal Rost auf der breiten Klinge, die eine ungewöhnliche Farbe besaß. An einigen Stellen schimmerte sie silbrig, an anderen wiederum in einem matten Blauton. Wer dieses Schwert führen wollte, mußte schon eine große Kraft einsetzen. Gottfried von Bouillon hatte es geschafft. Er war - wie auch Richard Löwenherz - ein außergewöhnlicher Mann gewesen, eine schillernde Persönlichkeit, dessen Name bis in die Gegenwart hinein seinen guten Klang behalten hatte.
Schon einmal hatte ich es mit einem Templerschwert zu tun gehabt. Es war das Richtschwert der Templer gewesen. Mit diesem jedoch war es nicht zu vergleichen.
Der Griff stach mir besonders ins Auge. Er besaß eine außergewöhnliche Länge, war nicht glatt wie bei vielen anderen Waffen dieser Art, sondern wurde von einem gedrehten Schlangenlinienmuster verziert, das zum waagerecht verlaufenden Handschutz am Ende des Griffs schmaler zulief.
Am Beginn der Klinge entdeckte ich noch eine Eingravierung. Sie war so breit wie das Schwert und zeigte die Fratze eines Dämons, fast das Gesicht Baphomeths, dem die zweite Gruppe der Templer huldigte. Gottfried von Bouillon war sicherlich kein Anhänger dieses widerlichen Höllendämons gewesen.
Ich stand neben dem Schwert und schaute mir es an. Die Spitze sah ich nicht mehr, weil sie im Gesicht des Dämons verschwand.
Nach einem Körper suchte ich vergeblich. Garinga bestand nur mehr aus einem feuerroten Schädel, der von Haaren umgeben wurde, die einen feurigen Stern
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