0499 - Garingas Fluch
Gesicht streichen, dann war es vorbei.
Garinga verschwand!
Nichts blieb von ihm zurück, auch kein Knochenarm. Er ließ mich mit dem Wissen allein, ihn befreit zu haben, und das tat mir in diesen Augenblicken nicht gut.
Dafür besaß ich das Schwert.
Es war fast so groß wie ich und deshalb auch unhandlich. Wenn ich es führen wollte, mußte ich beide Hände zu Hilfe nehmen und stets weit ausholen, also benötigte ich Platz, den ich hier unten allerdings nicht hatte.
Stimmte es wirklich, daß mir der Besitz des Schwertes den Weg zum Dunklen Gral öffnete, oder war alles nur eine Täuschung? Ich mußte inzwischen mit allem rechnen.
Garinga hatte sich nicht wieder blicken lassen. Vielleicht hielt er sich in diesem gewaltigen, unterirdischen Labyrinth versteckt, wo es möglicherweise tausend Höhlen, Gänge und Löcher gab. Er mußte sich hier auskennen, im Gegensatz zu mir. Der Weg zum Dunklen Gral führte nur über Garinga.
Meine Gedanken wurden durch Geräusche unterbrochen, die ich aus der Höhe vernahm.
Wenn mich nicht alles täuschte, waren es Schritte, aber nicht von einer Person.
Ich lehnte das Schwert gegen die Wand, nahm die Lampe, die zwischen meinen Lippen war, weg und leuchtete schräg nach oben. Noch sah ich nichts, zwei Sekunden später aber erschien am Rand der Öffnung und auch im Lichtkegel der Lampe ein Gesicht.
Es gehörte Saunders.
Der Mann kniete vor der Öffnung, hatte sich aufgestützt und starrte zu mir herab.
Seine Gesichtszüge zeichneten sich sehr deutlich ab. Ich sah sein Grinsen, den verzogenen Mund, und dieser Ausdruck gefiel mir überhaupt nicht.
Er hatte etwas Wissendes an sich, auch etwas Triumphierendes, selbst die alte Haut zeigte sich gespannt.
Er sprach nicht, ich redete ihn ebenfalls nicht an, weil ich daran dachte, daß noch eine andere Person bei ihm sein mußte.
Und die kam auch.
Wieder vernahm ich das Geräusch der Schritte. Sie schleiften über den Boden, und sie näherten sich dem runden Rand der Öffnung. Ich bewegte die Lampe etwas, weil ich die Person sehen wollte, bekam aber nur zwei Füße und die Ansätze der Beine zu Gesicht. Schwarze Schuhe, eine dunkle Hose, das war alles.
Saunders hatte den Kopf gedreht, weil er zu der zweiten Person hinschauen wollte, die jetzt ebenfalls kniete.
Die dunkle Kleidung blieb. Ich bekam plötzlich einen bestimmten Verdacht, der sich in den nächsten Sekunden verhärtete, als der zweite Mann zu mir in die Tiefe schaute.
Es war Vincent van Akkeren!
***
Ich sagte nichts, leuchtete ihn an und ärgerte mich nicht einmal über das harte und gleichzeitig triumphierende Grinsen auf seinem breiten Mund.
Die Augen lagen in den Höhlen. Sie kamen mir vor wie dunkle Punkte tief in zwei Schächten. Er sah aus wie immer. Das dunkle Haar hatte er nach hinten gekämmt. An den Seiten schimmerten silbrige Strähnen wie dicke Spinnweben.
Jetzt löste er eine Hand vom Boden und winkte mir mit einer lässigen Bewegung zu. »Hallo, Sinclair«, sagte er, »überrascht?«
»Nicht mehr. Ich wußte, daß ich Saunders nicht trauen kann. Es fiel mir nur zu spät ein.«
»Ja, du machst Fehler, aber ich gratuliere dir trotzdem.«
»Wozu?«
»Zum Besitz des Schwertes. Das hätte nicht jeder geschafft, glaub mir. Es war schon eine Leistung. Sie zeigt mir auch, daß man sich auf dich noch immer verlassen kann.«
»Danke.«
»Du weißt, wie es weitergeht?«
»Nein.«
»Dann will ich es dir sagen. Wir beide stehen dicht vor dem Ziel, das Geheimnis des Dunklen Grals zu lüften. Wenn du alle Hindernisse aus dem Weg geschafft hast, wirst du den Gral finden und erfahren, um wen es sich dabei handelt. Dann werde auch ich zur Stelle sein, denn er soll Baphometh gehören.«
Ich lachte leise. »Ich soll also für dich die Kastanien aus dem Feuer holen.«
»So ist es. Und wink nicht ab, Sinclair. Du hast es bisher getan, du wirst es auch weiterhin nicht sein lassen. Wie lange hast du nach dem Gral gesucht? Zwei Jahre, drei oder fünf? Wer sich über eine so lange Zeit hin auf eine bestimmte Sache konzentriert und nicht von ihr abläßt, der will auch alles haben. Stimmt's?«
»Und wenn nicht?«
»Daran habe ich auch schon gedacht, obwohl ich über diese Möglichkeit eigentlich nur lachen kann. Solltest du trotz meiner Erwartungen verkehrt reagieren, muß ich dich töten.«
»Das hast du schon öfter versucht.«
»Sicher, aber diesmal habe ich die Falle so gestellt, daß du nicht mehr entwischen kannst. Wir haben Zeit gehabt, viel Zeit. In den
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