0499 - Garingas Fluch
Schwert Gottfrieds… London… nach London…«
Schluß, nichts mehr, nur das etwas unheimlich klingende Rauschen drang noch aus dem simplen Lautsprecher.
Timos dünner Schlafanzug war durchgeschwitzt. Er blieb sitzen, ohne sich zu rühren. Sein Blick war ins Leere gerichtet, die Lippen zuckten manchmal, er wollte denken, konnte es aber nicht. In dieser Nacht war es besonders schlimm. Er ging davon aus, daß der unbekannte Sprecher gerade mit ihm hatte Kontakt aufnehmen wollen. Nur mit ihm. Er war der Empfänger der Botschaft, darum mußte er auch etwas unternehmen. Auf ihn kam es an. Er konnte das Schicksal eines Mannes beeinflussen, wenn er nur wollte.
Der Mann hieß John Sinclair, er wohnte in London, das stand für Timo fest. Doch wie sollte er, ein fünfzehnjähriger Junge, nach London kommen? Das war so gut wie unmöglich. Er konnte ja mit dem Zug fahren, doch seine Eltern wollten in der folgenden Woche in Urlaub fahren, es war schon verzwickt.
Eine Möglichkeit gab es.
Er mußte telefonieren. Diesen John Sinclair anrufen, wobei er nicht einmal wußte, wie viele Sinclairs es in einer Riesenstadt wie London gab. Das konnten Tausende sein.
Am besten war es, wenn er mit seinen Eltern darüber sprach. Vielleicht hatten sie Verständnis.
Timo Knäpper schaltete das Radio aus. Er wollte keine anderen Stimmen mehr hören.
Statt dessen legte er sich wieder ins Bett.
Schlaf fand der Junge in dieser Nacht so gut wie keinen mehr. Seine Gedanken drehten sich nur mehr um die unheimliche Botschaft, die er empfangen hatte…
***
Brigitte Knäpper schaute ihren Sohn ernst und zugleich lächelnd an, als er sich an den bereits gedeckten Frühstückstisch setzte. »Etwas stimmt nicht mit dir, Timo.«
»Wieso?« Der Junge zwinkerte mit den Augen, weil einfallendes Sonnenlicht ihn blendete. Zudem saß er dem Fenster genau gegenüber.
»Du siehst so müde aus.«
»Bin ich aber nicht.«
Auch Brigitte Knäpper setzte sich. »Erzähle mir nichts, Timo, ich kenne dich. Hast du in der vergangenen Nacht überhaupt geschlafen?«
»Aber ja doch.«
Brigitte Knäpper strich durch das dunkle kurzgeschnittene Haar. »Wie viele Stunden?«
»Keine Ahnung.«
Brigitte nickte ihrem Sohn zu. »Ich glaube, Timo, daß wir darüber beim Mittagessen reden. Tut mir leid, ich muß in den Laden, bin sowieso spät dran.«
»Klar, Mutti.«
Brigitte hauchte ihrem Sohn noch einen Kuß auf die Stirn und verschwand. Timo hörte, wie die Tür ins Schloß fiel. Sein Vater war schon längst im Geschäft. Timo wäre auch schon in der Schule gewesen, aber die großen Ferien hatten begonnen, da konnte er länger im Bett bleiben.
Die Ereignisse der vergangenen Nacht spukten durch seinen Kopf. Er schaute auf die beiden Brötchen. Hunger verspürte er kaum, er aß sie trotzdem und trank eine Milch dazu.
Die Stimmen waren in dieser Nacht lauter gewesen als sonst. Drängender und besser zu verstehen.
Ihm schien es, als wollte ihm der Geist die Nachricht mit aller Deutlichkeit mitteilen. Dieser Geist stand unter Druck, er schien nicht mehr viel Zeit zu besitzen. Er hatte einen Namen gesagt. John Sinclair, ein Mann, der in London wohnte.
Timo lief ein Schauer über den Rücken. Er kam sich vor wie das Mitglied einer Verschwörergruppe.
Er wußte Bescheid, daß es etwas gab, worüber die anderen nur lachten. Und er hatte auch das Gefühl, irgend etwas tun zu müssen.
Deshalb stand er auf. Er wollte es an diesem frühen Vormittag noch einmal probieren. Bisher hatte er den Kontakt mit der anderen Welt nur in der Nacht hergestellt. Möglicherweise würde ihm dies auch am Tage gelingen. Das wäre super gewesen. Unter Umständen konnte er dann seine. Eltern davon überzeugen, ihn nach London fahren zu lassen.
Timo verließ die Küche. Das Haus war groß und leer. Wie in einer Burg, dachte Timo, als er die helle Marmortreppe nach oben ging, wo auch sein Zimmer lag. Die Tür stand offen. Seine Mutter hatte noch das Bett gemacht und auch das Fenster geöffnet, damit frische Luft reinkam.
Die allerdings hatte sich bereits erwärmt, die Sonne meinte es an diesem Tag wieder außergewöhnlich gut.
Timo schloß das Fenster und ließ das Rollo herunter.
Dann setzte er sich vor sein altes Radio. Die Frequenz war noch eingestellt, er brauchte nicht erst zu suchen, schaltete den Apparat ein und wischte die Handflächen am Stoff seiner kurzen Hose ab. Er reinigte noch die Gläser der Brille, bevor er auf die Skala schaute und auch das Band einschaltete.
Wenn die
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